Bundesrat Stenographisches Protokoll 670. Sitzung / Seite 81

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Vor kurzem sagte ein russischer Diplomat bei den Vereinten Nationen, der Weg zum Internationalen Strafgerichtshof sei irreversibel. Ich betone bewusst, dass es ein russischer Diplomat war, weil sich nicht jede Großmacht ähnlich äußert. Erste Überlegungen zu einem Internationalen Strafgerichtshof waren schon im 19. Jahrhundert erkennbar. Aber besonders die Zeit nach 1945, in der rund 160 Millionen Opfer von Kriegsverbrechen zu beklagen sind, hat dazu geführt, dass sich in Folge der Tokio- und Nürnberger Prozesse die Überlegungen eines Internationalen Strafgerichtshof mehr und mehr durchgesetzt haben. 120 Ja-Stimmen, 21 Enthaltungen und 7 Nein-Stimmen waren um den 28. Oktober dieses Jahrhunderts für dieses Gesetzesvorhaben, internationale Vorhaben.

Aber wir hatten schon Vorläufer. Wurde nicht ein früherer Regierungschef von einem unabhängigen internationalen Gerichtshof wegen Völkermordes rechtskräftig verurteilt? – Es war Jean Kambanda aus Ruanda, der verurteilt worden ist. Man nimmt also nicht nur immer die Kleinen. Die Kleinen hängt man. – Nein. In diesem Fall hat man den Regierungschef verurteilt. Auch beim Jugoslawien-Tribunal werden Staatsoberhäupter, Regierungschefs und andere hohe Staatsfunktionäre von der Verfolgung nicht ausgeschlossen. Ich glaube, es ist bedeutend zu wissen, dass sich sowohl der kleine Verbrecher als auch der Verbrecher in höchsten Staatsfunktionen vor einer Verfolgung nicht mehr sicher fühlen sollen.

Es sind diese beiden vorher genannten Gerichtshöfe, nämlich das Ruanda-Tribunal und das Jugoslawien-Tribunal, auch Teil des Statuts von Rom über einen ständigen Internationalen Strafgerichtshof. Anfänglich zeigte sich eine zögerliche Annahme, und es wurde auf die Grenzen eines Internationalen Strafgerichtshofs hingewiesen. Aber die Beispiele haben gezeigt, dass – Sie sehen das anhand der Zahl der Staaten, die es schon unterzeichnet haben – die Notwendigkeit eines solchen von der Staatengemeinschaft anerkannt und positiv bewertet wird und dass eine nationale Strafverfolgung nicht derogiert wird. Wenn die nationale Strafverfolgung, auf die man immer hofft, stattfindet, dann gibt es diesen Internationalen Strafgerichtshof nicht.

Der Sitz soll in Den Haag sein, sobald 60 Staaten ihre Ratifikationsurkunde beim UNO-Generalsekretariat hinterlegt haben. Der Gerichtshof kann sich immer dann einer Sache zuwenden, wenn der Staat, auf dessen Territorium sich das Verbrechen ereignet hat, oder wenn das Land, dessen Staatsangehörigkeit der mutmaßliche Täter besitzt, die Jurisdiktion des Gerichtes anerkennt. Die Jurisdiktion beschränkt sich auf vier besonders schwere Verbrechen: erstens den Völkermord, zweitens die Kriegsverbrechen, drittens die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und viertens die Aggression, wobei interessant ist, dass Aggression erst definiert werden muss. Es steht, dass dies noch nicht definiert ist.

Lenin meinte einmal: Die Aggressoren sind friedliebend, erst der Verteidiger schafft den Krieg. – Ich glaube, das ist das Problem, denn in den letzten Jahren hat es selten Kriege gegeben, von denen man behaupten kann, eindeutig zwischen Aggressor und Verteidiger unterscheiden zu können. Wir alle erkennen auch bei unserer Aufnahme der internationalen Medien, wie schwierig es oft ist, den Aggressor vom Verteidiger zu unterscheiden. Und diese Schwierigkeit haben insbesondere drei Staaten, nämlich die Vereinigten Staaten, Israel und ein eigenartiger Verbündeter, Libyen. Diese Drei wollen sich nicht vom Internationalen Strafgerichtshof abgehandelt wissen.

Es ist sicherlich problematisch, wenn sich Personen auf ihren Befehlsnotstand berufen. Aber das nützte auch schon beim Nürnberger und beim Tokioter Gerichtshof und Prozess nichts. Die Vereinigten Staaten wollen halt für ihre Soldaten und andere hohe und befehlshabende Personen diese Ausnahmeregelung haben.

Nun meine ich – das ist in Österreich in der allgemeinen Dienstvorschrift schon verankert –, dass man Befehle, die gesetzwidrig sind, nicht zu befolgen hat. Das ist schlicht und einfach, aber in einigen Staaten scheinen diese Schlichtheit und Einfachheit, diese Wahrheit dem Gesetz gegenüber nicht vorhanden zu sein. Wir werden auf Grund der großen Zahl derer, die diese internationale Abmachung unterzeichnet haben, durchaus Druck ausüben können, denn es ist eigentlich kaum machbar, dass der Weltpolizist Nummer eins, wie er sich selbst gerne darstellt, nicht dieser internationalen Konvention unterliegt.


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