Bundesrat Stenographisches Protokoll 672. Sitzung / Seite 13

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Das Land Kärnten stand in diesen bewegten Zeiten in einer besonders kritischen Situation, stand im Abwehrkampf und bekannte sich klar und eindeutig zur neuen Republik Österreich. Die Kärntnerinnen und Kärntner verteidigten damit nicht nur ihre Landesgrenze, sondern auch die Grenzen der Republik Österreich, die damals noch auf relativ schwachen Beinen stand.

Das sozialdemokratische Demokratiekonzept strebte einen ausgeprägten Parlamentsabsolutismus an, während die christlich-sozialen Vorstellungen eine gleichrangige Stellung der Länderkammer gegenüber der Volkskammer des Parlaments vorsahen.

In diesem Umfeld wurde im Jahre 1919 Hans Kelsen mit der Konzipierung einer Verfassung beauftragt, wobei ihm folgende Vorgaben gegeben wurden: Die Staatsform sollte eine parlamentarische Republik mit bundesstaatlichem Charakter und mit der Übertragung wichtiger Kompetenzen an die Zentralorgane sein.

Bereits in dieser Phase entstand das Modell einer als "Bundesrat" bezeichneten Länderkammer. Die Bevollmächtigten der Länder sollten an die Aufträge der Landesregierungen gebunden und eine Zusammenfassung der Länderregierungen sein. Das am 1. Oktober 1920 beschlossene Bundes-Verfassungsgesetz hat die geplante Struktur und Funktion des Bundesrates nicht realisiert, was darauf zurückgeführt werden kann, dass sich die Länder nicht auf eine gemeinsame verfassungspolitische Position einigen konnten. Die außerhalb der österreichischen Verfassungsordnung seit dem Jahre 1950 eingesetzte Landeshauptleutekonferenz kommt dieser ursprünglichen Idee nahe und besteht bis heute als Konkurrenzplattform zum Bundesrat.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die demokratische Republik Österreich im Sinne der Verfassung von 1920 wiederhergestellt, und damit wurden auch die Problemstellungen in Richtung Föderalismus übernommen. Erst im Jahre 1984 wurde ein Zustimmungsrecht des Bundesrates für Verfassungsgesetze, welche die Länder in Gesetzgebung oder Vollziehung einschränken, verankert – ein Meilenstein in der Geschichte des Bundesrates, der aber noch niemals zum Tragen kam.

Die Frage nach der Funktionalität einer zweiten Kammer wurde schon oft gestellt und ist angesichts der auch heute immer wieder geführten Diskussionen über den Bundesrat sehr aktuell. In der Beantwortung können zwei Grundmuster identifiziert werden: Zum einen wird der zweiten Kammer die Funktion einer Qualitätsverbesserung der Gesetzgebung, also des parlamentarischen Produktes, zugeschrieben, zum anderen kann ihr die Funktion der Wahrung bestimmter Interessen zukommen.

Nach diesem Ausflug in die Entstehungsgeschichte unseres Bundesrates darf ich auch kurz auf die derzeit kursierenden Pressemeldungen eingehen, die von der Abschaffung des Bundesrates über die direkte Wahl der Bundesräte bis zum Generallandtag reichen. Vorweg soll die Beschäftigung mit der Theorie erkennen lassen, dass verbrieftes Recht noch nicht gelebtes Recht bedeutet, was den ständigen Ruf nach Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Bundesrat relativiert.

Der Beitritt zur Europäischen Union bedeutet, dass über unser österreichisches Parlament eine weitere legislative Ebene gesetzt wurde. Natürlich kann berechtigterweise darüber nachgedacht werden, ob der damit verbundene Kompetenzverlust nicht auch eine Arbeitsentlastung bedeutet, die in weiterer Folge zu Einsparpotenzialen in allen darunter angesiedelten legislativen Ebenen führen kann.

Ich finde es aber nicht richtig, wenn bei allen Diskussionen zu einer Bundesstaatsreform immer nur der Bundesrat, das föderalistische Standbein unserer Republik, im Brennpunkt steht. Wir – ich meine alle Bundesrätinnen und Bundesräte – sollen konstruktive Kritik ernst nehmen. Wir sollen für jede gute Idee dankbar sein, aber wir müssen auch unüberlegte Vorschläge, die dem Image des Bundesrates schaden, klar zurückweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite