Bundesrat Stenographisches Protokoll 672. Sitzung / Seite 14

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Leicht lassen sich auch stichhaltige Gegenargumente zu vielen Ideen bringen. Die Direktwahl der Bundesräte klingt sehr populär, würde aber den Landtagen die derzeit bestehende Möglichkeit nehmen, auch parteiunabhängige Experten aus ihren Bundesländern in den Bundesrat zu entsenden. Viele hoch qualifizierte Fachleute, die als Bereicherung für den Bundesrat in Frage kämen, wären niemals bereit, auf einer Parteiliste zu kandidieren.

Zur Ersetzung des Bundesrates durch einen Rat der Länder und Gemeinden ist festzuhalten, dass nichts dagegen spricht, dass die Landtage auch bei der derzeitigen Konstellation Landeshauptleute, Landesräte, Landtagsabgeordnete und Vertreter des Gemeinde- und Städtebundes in den Bundesrat entsenden. Auf die ersatzlose Abschaffung des Bundesrates möchte ich nicht eingehen, weil das aus meiner Sicht ein durch nichts gerechtfertigtes Rütteln an den Säulen der Verfassung und Demokratie bedeutet.

In diesem Zusammenhang sollte auch darauf hingewiesen werden, wie wenig in der Vergangenheit der dem Bundesrat heute schon gegebene Rahmen genutzt wurde. Seit 1945 wurden nur 111 Einsprüche getätigt, und die stärkste Waffe, die dem Bundesrat seit der Bundesstaatsreform 1984 gegeben ist, das absolute Veto, wurde, wie bereits erwähnt, noch nie eingesetzt.

In unserer Kommunikationsgesellschaft mit starken Medien würde allein der verstärkte Einsatz des an sich nur verzögernd wirkenden Einspruchsrechtes starke Wirkung zeigen. Wenn ich mir weiters vor Augen führe, dass gegen den Bundesrat gerichtete Pressemeldungen kaum Reaktionen bei den Mitgliedern des Bundesrates auslösen, dann meine ich, dass es an der Zeit ist, uns gemeinsam die Frage zu stellen, ob wir nicht zu wenig Selbstbewusstsein und Korpsgeist haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir müssen an einer neuen Identität des Bundesrates arbeiten und eine Corporate Identity entwickeln. Warten wir nicht, bis dem Bundesrat mehr Achtung entgegengebracht wird, sondern achten wir uns selbst! Denn nur wer sich selbst achtet, kann auch Achtung gewinnen und weitergeben!

In der öffentlichen Meinung, bei den Menschen, mit denen wir tagtäglich ins Gespräch kommen, sind wir weitgehend anerkannt. In der veröffentlichten Meinung, bei den Medien, liegen wir weniger gut. Das muss uns zu denken geben. Wir müssen uns als zweite Kammer stärker profilieren und die Qualitätsverbesserung des parlamentarischen Produktes Gesetzgebung ernst nehmen. Unser Antrag auf Einbindung des Bundesrates in den Gesetzwerdungsprozess des Nationalrates muss gemeinsam konsequent verfolgt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Das Regierungsprogramm, das in einem Absatz die Erweiterung des Zustimmungsrechtes des Bundesrates vorschlägt, muss als echter Auftrag verstanden werden. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn wir Gesetze, die Länder und Gemeinden belasten, so lange an den Nationalrat zurückweisen können, bis wir als Bundesräte und damit als Vertreter der Länder diese Belastungen auch verantworten können.

Im gemeinsamen Europa der Zukunft werden die Regionen und damit auch die Länder immer wichtiger als Gegengewicht zum Zentralismus. Ein starker Bundesrat als Vertretung der Länder ist damit ein Gebot der Stunde. Das gemeinsame Bemühen um die Umsetzung dieser Ziele wird unser Selbstbewusstsein stärken und uns die Kraft geben, auch die bestehenden Rechte des Bundesrates mit mehr Leben zu erfüllen und in Wien und in den Bundesländern als starke Botschafter der Sache des Bundesrates aufzutreten.

In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates, sehe ich der Zeit meiner Vorsitzführung sehr positiv entgegen und hoffe, dass wir in meiner Amtsperiode eine konstruktive Entwicklung des Bundesrates vorantreiben können. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

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