Bundesrat Stenographisches Protokoll 672. Sitzung / Seite 39

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die sich sehr gut als "Budget Center" organisieren lassen, damit eine wesentlich höhere Autonomie und Flexibilität im Vollzug haben und auch die Motivation der Mitarbeiter festigen würden.

Es ist letztlich auch notwendig, dass wir den in der Verfassung verankerten Kompetenzkatalog nach Artikel 10 bis 15 einer tief greifenden Neuordnung unterziehen, und zwar aus einem einfachen Grund: Durch den EU-Beitritt haben sich die Zuständigkeiten für Gesetzgebung und Richtlinien gravierend verändert. Es ist ein neues System übernommen worden, in dem der Gesetzgeber auf der EU-Ebene mit Richtlinienkompetenz ohnedies sehr grundsätzliche Vorgaben macht, sodass sich die Kompetenzaufteilung, wie wir sie in der österreichischen Bundesverfassung vorfinden, nicht mehr als schlüssige Lösung darstellt.

Das heißt, wir haben etwa einen Widerspruch darin, dass es Bundes- und Landeskatastrophen gibt. Da ist es bei Katastrophen wie jenen von Lassing oder Galtür plötzlich eine Frage, wer für die konkrete Katastrophe zuständig ist. Ist es eine Landeskatastrophe, oder ist das doch schon eine Bundeskatastrophe? – Es ist eigentlich ein absurdes Ergebnis, wenn sich Ministerien mit Landesverwaltungsbehörden streiten müssen, wer schneller, wer zuerst im Einsatz sein soll oder wer die führende Funktion bei der Koordination der einzelnen Rettungseinheiten und Katastrophenschutzeinheiten zu übernehmen hat.

Auch durch die Vielfalt der Vergabegesetzgebung haben wir unlösbare Probleme. Wenn Sie heute eine Straßenverwaltung bauen, in der teilweise die Bundesstraßenverwaltung und ein Teil der Landesstraßenverwaltung untergebracht ist, dann ist es fraglich, nach welchen Gesichtspunkten die Vergabe durchgeführt wird. Kommt ein Landesvergabegesetz zur Anwendung, oder kommen die Bundesvergaberichtlinien zur Anwendung? – Beide haben in der Regel sehr unterschiedliche Ausformungen, unterschiedlichen Rechtsschutz und unterschiedliche Gewährleistungsnormen. Daran sieht man, wie in einem kleinen Land durch diese Struktur der Kompetenzverteilung bei komplexen Sachverhalten unlösbare Probleme entstanden sind.

Oder nehmen Sie den aktuellen Fall des BSE-Skandals her: Wenn man jetzt versucht – was ich für sehr richtig halte –, auf Bundesebene eine Agentur für Ernährungssicherheit zu schaffen, dann sollte man nicht nur eine zusätzliche Kontrolleinheit schaffen, sondern man sollte die Kompetenzen bündeln, nämlich auch jene der Länder in eine zentrale Bundesanstalt zusammenführen und dezentrale Kontrollen ermöglichen. Das wäre wesentlich wirksamer, weil wir eine einheitliche Finanzierungsstruktur und eine einheitliche Organisationsgewalt hätten. Mit den dezentralisierten Einheiten wie den Untersuchungsbehörden könnten wir sachgemäß die Leistungen für die Bevölkerung erbringen.

Letzter Punkt: Ich glaube, dass wir auch in der heutigen Verwaltung dem Vertragsrecht und der zivilrechtlichen Regelung im Verkehr zwischen Bürger und Behörden stärker als dem Hoheitsakt das Wort reden sollten. Das gilt im Besonderen für den Bereich der Leistungsverwaltung, das gilt auch für klassische Bereiche wie etwa das gesamte Pensionssystem. Es ist eigentlich ein bisschen überkommen, dass es heute noch einen Pensionsbescheid gibt, mit dem das Pensionsamt, die Pensionsbehörde, die Pensionsversicherung hoheitlich eine Pension zuspricht, obwohl sich der Bürger mit Beiträgen einen Anspruch erarbeitet hat.

Diesen Anspruch gibt es aber nur für Teilbereiche der österreichischen Gesellschaft, es gibt ihn nur für die beamteten Bürger dieses Landes. Sie haben durch ihre Beiträge einen Rechtsanspruch erworben. Der in der Privatwirtschaft Tätige und privatrechtlich Versicherte hat keinen Anspruch, sondern er erwirbt nur Anwartschaften, die ihm der Staat zuteilt, wenn dem Staat danach ist; wenn er der Meinung ist, es muss geändert werden, dann teilt er diese Anwartschaften eben nicht zu, kürzt sie oder verändert sie. Daher wäre meiner Ansicht nach auch hier die privatrechtliche Gestaltung von Leistungsverhältnissen der richtige Zugang. Auch das muss eine Pensionsreform, die ein Mehr-Säulen-System umfassen wird, mit einschließen.

Oder denken Sie an die Spitäler – dort ist das schon erledigt worden! Vor ein paar Jahren hatten wir noch die Einweisung in Spitäler. Das ist heute nicht mehr der Fall, sondern heute schließen wir privatrechtliche, zivilrechtliche Verträge, die auch einklagbar sind, wenn ärztliche Mängel vorkommen, wenn Betreuungsmängel auftreten. Dasselbe sollte für die Schulen gelten, im


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