Bundesrat Stenographisches Protokoll 672. Sitzung / Seite 65

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denn das, was die Kollegen von der freiheitlichen Fraktion hier an hypertropher Erregung geboten haben, war bemerkenswert. (Bundesrat Dr. Nittmann: Aber vor der FPÖ muss man sich nicht fürchten!) – Das sehen manche Menschen in diesem Land eigentlich inzwischen anders. Ich bin ein verhältnismäßig furchtloser Mensch, auch wenn ich zugebe, dass die akustische Bedrohung, die ich bei einer etwas anderen Sitzordnung in meinen Ohren hatte, tatsächlich existenzbedrohend war.

Meine Damen und Herren! Die Debatte hat sich, was das gute Recht aller Beteiligten ist, vorwiegend auf Probleme in dem Land, das Herr Landeshauptmann Haider hier vertreten hat und dem er vorsteht, konzentriert. Es gibt dort auch genug, und er macht auch genug, sodass das eine legitime Auseinandersetzung für eine Länderkammer ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. )  – Frau Kollegin! Genau Sie habe ich gemeint.

Zweitens: Unter dem Titel "Vorstellungen zur Reform des Bundesstaates" habe ich etwas anderes erwartet. Eigentlich wurden wir mit Magerkost abgefertigt. Ich habe extra gewartet auf den Nachschlag und das Schlusswort des Herrn Landeshauptmannes, ob da noch etwas nachkommt, weil ich nicht glauben konnte, dass diese dünne Suppe das ist, was dem Bundesrat angeboten werden soll. Aber es war so. Nicht ein Fettauge ist oben geschwommen!

Dort, wo der Herr Landeshauptmann versucht hat, ins Detail zu gehen, hat er zwar sehr schöne Sätze gefunden, aber jeder einzelne davon hat der konkreten Politik dieser Bundesregierung widersprochen. Wie will man denn von Bürgernähe sprechen, wenn ein Herr, den er offensichtlich auch privat ganz gut kennt, den flächendeckenden Rückzug des Rechtsstaates vom flachen Land forciert? Wie will man denn von Verwaltungsvereinfachung sprechen, wenn fortwährend neben der öffentlichen Verwaltung, die tatsächlich teuer und kompliziert genug ist, neue Einrichtungen entstehen, die genauso einem hypertrophen Wachstum anheim zu fallen drohen? Und wie will man die Nähe zu den Problemen der Bürger, aber auch die Nähe zu den Sorgen der lokalen Wirtschaft erhalten, wenn man darüber spricht, dass die Beschaffungsvorgänge zur Gänze zentralisiert werden sollen, wie ich heute mit Interesse gelesen habe, und zwar nicht nur die des Bundes, sondern gleich auch die aller Bundesländer? Gehört es nicht zum Wesen unseres gesamtstaatlichen Ausgleiches, dass es sehr wohl richtig und notwendig ist – es gibt nicht nur den Effizienz- und Sparsamkeitsgesichtspunkt –, lokale Strukturpolitik über beschaffungspolitische Maßnahmen zu betreiben? – Die Menschen wissen, dass der Zusammenbruch, das Abwandern auch kleiner Betriebe aus bestimmten benachteiligten Regionen nicht nur heißt, dass es dort ein paar Arbeitsplätze weniger gibt, sondern dass dort ein Verödungsprozess eintreten kann, der eine solche Gegend bedroht.

Ich glaube, wir sollten uns – wir ohnehin nicht –, Sie sollten sich von diesem Diktat der angeblichen Effizienz und Sparsamkeit freimachen. Wenn man lang genug fastet, ist man entsetzlich schlank, nämlich ein Gerippe, weil man tot ist. Und wir wollen es dieser Republik und vor allem ihren Menschen ersparen, diesen Weg zu gehen.

Das Gemeinwesen ist keines, in dem ausschließlich heute der Schilling, morgen der Euro regiert, sondern hier geht es um Menschen, um deren Schicksale, um einen Interessenausgleich, um regionale Entwicklungen, und vieles davon ist materiell nicht zu bewerten.

Glauben Sie nicht, dass es klüger wäre, von einem Effizienzstandpunkt die Bevölkerung dieses Landes aus dünn besiedelten Gebieten einfach per Kommando abwandern zu lassen? Ein Postamt in einem Alpental, ein Postamt im Waldviertel ist absolut unrationell! Es sind auch die Menschen dort unrationell, wenn man ihnen Straßen hinbauen muss! – Was wäre denn das für eine Politik, was wäre das für eine verhängnisvolle und verbrecherische Politik, Menschen unter Effizienzgesichtspunkten sozusagen die Heimat madig machen zu wollen. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. ) – Nein, aber von einer vernünftigen Abwägung. Das sage ich, selbstverständlich, Herr Kollege! (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Woher nehmen Sie das Wissen? Wie definieren Sie "vernünftig"?) – Herr Kollege! Vernünftig ist der Interessenausgleich einer Gesellschaft. Auch das gehört zu den Selbstverständlichkeiten des demokratischen Prozesses. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Maier: Das halte ich jetzt aber fest!) Herr Kollege Maier! Sie sind es nicht, und ich bin es nicht, die festzulegen hätten, was vernünftig ist. Ver


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