Bundesrat Stenographisches Protokoll 672. Sitzung / Seite 86

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Ruder übernahm und der österreichischen Agrarpolitik wirklich einen neuen, zukunftsorientierten Stempel aufzudrücken begann.

Herr Kollege Marizzi! Sie haben behauptet, die österreichische Agrarpolitik fördere Agrarindustrien. Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie da reden, und darf Ihnen ein Beispiel nennen. In der europäischen Milchlieferanten-Statistik bildet Österreich hinter Griechenland und hinter Portugal das Schlusslicht. Wir haben die kleinsten milcherzeugenden Betriebe in Europa. (Bundesrat Prähauser: Wir haben auch weniger Kühe!) Es war über viele Jahrzehnte hinweg unvorstellbar, dass man hinter die Rinderbauern von Griechenland und Portugal fallen kann.

Wir gehen in der Landwirtschaft damit auch hohe Risiken ein, weil wir uns der Rationalisierungsreserven begeben, weil wir natürlich teurer produzieren und weil wir eine sehr schwierige Konkurrenzsituation bekommen. Es ist also die Frage zu stellen, was uns diese Kleinstruktur auf dem Markt – dort, wo die Produkte bezahlt werden – tatsächlich gebracht hat. Es ist kein Unterschied zwischen unseren Konsumentenpreisen und dem, was im übrigen Europa gegolten hat, festzustellen.

Sie wissen auch sehr genau, dass Bundesminister Molterer jetzt dabei ist, in der Agrarförderung einen Sockelbetrag zur Stabilisierung der Klein- und Kleinstbetriebe einzuführen. Das ist etwas, was es sonst in ganz Europa und wahrscheinlich auf der ganzen Welt nicht gibt. Sie können uns und unserer Agrarpolitik nicht seriös und ernsthaft vorwerfen, dass sie Agrarindustrien in dem Stil fördere; ich weiß nicht, was Sie damit meinen. Ich war selbst in den USA und habe Betriebe mit 100 000 Stück Masttieren gesehen. Das ist für mich eine Agrarindustrie. Aber bei den 15 bis 20 Stück Vieh, die auf den durchschnittlichen Bauernhöfen in Österreich stehen, weiß ich nicht, wovon man da letztlich redet.

Der Kern der Misere – das ist das Wesentliche; ich mag da nicht polemisieren – ist letztlich im Handel zu finden. Im Einkaufszentrum, an der Theke, findet die Agrarpolitik statt. Dazu darf ich Ihnen ein anderes Beispiel nennen. Jetzt, in BSE-Zeiten, verhandelt die österreichische Milchwirtschaft mit den Handelsketten über die Steigerung von Milchpreisen. Da passierte folgender Fall: Eine Handelskette – ich möchte den Namen nicht nennen (Bundesrat Bieringer: Ah, nicht der Spar?)  – sagt der Molkerei, wir gehen schon ein paar Groschen hinauf, aber zuerst müsst ihr uns eine Pauschale bezahlen, weil wir im letzten Jahr verschiedene Filialen von einem vorherigen Konkurrenten übernommen haben, und da müsst ihr eine höhere Listungsgebühr bezahlen.

Der Effekt ist also, dass man sich um 6 Millionen Schilling eine Preissteigerung von 2 bis 3 Millionen Schilling hätte erkaufen müssen. Das ist die Realität! Da findet es statt, da wird die Wertigkeit der Produkte festgelegt. – Und da fahren Sie uns drüber und sagen: Das sind Agrarindustrien, das ist ein völliger Irrweg und so weiter.

Eine Frage darf ich Ihnen noch stellen. Ich habe von keiner Konsumentenvertreterseite und auch nicht von Ihnen irgendeinen Protest dagegen gehört, dass im Jahr 2000 1 Million Schweine nach Österreich importiert worden sind. Das ist die Sache: Wenn bei uns der Preis nicht mit dem, was auf dem europäischen und dem umliegenden Niveau geboten wird, mithält, dann sagt man eben, wir importieren Fleisch aus anderen Staaten. – Es ist daher ein Überschuss vorhanden.

Sie waren auch nicht dagegen, dass wir der Europäischen Union beigetreten sind. Wir sind ebenfalls nicht dagegen gewesen, weil die Zeit richtig war. Aber wir lassen uns dann so billige Polemiken nicht gefallen.

Ich frage abschließend Folgendes: Wir sind in Österreich BSE-frei; wir haben 21 000 Tests durchgeführt. Wir haben auch nicht die Agrarpolitik gemacht, die zu BSE geführt hat; das kann man glaubwürdig sagen. Aber wenn nicht jetzt, wenn in einer Bevölkerungsgruppe Tausende Existenzen gefährdet sind: Wann dann wollen Sie das Wort "Solidarität" in den Mund nehmen? – Diese Frage darf ich Ihnen abschließend stellen, weil es jetzt auch darum geht, wie diese schwierigen Fragen gelöst werden.


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