Bundesrat Stenographisches Protokoll 673. Sitzung / Seite 56

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Wenn ein Obdachloser glaubhaft machen kann, dass er seit mindestens einem Monat den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einer bestimmten Gemeinde hat, und dort eine Stelle bezeichnen kann, die er regelmäßig aufsucht, kann ihm die Meldebehörde eine Hauptwohnsitzbestätigung ausstellen. Weiters gilt diese Kontaktstelle als Zustelladresse für behördliche Schriftstücke, womit auch die Kontaktaufnahme für die Behörden selbst erleichtert wird.

Diese Regelung ist also auch im Interesse der Verwaltung gelegen. Ich bedanke mich nach sechsjährigen Bemühungen für diese Lösung und auch dafür, dass auf einige im Begutachtungsverfahren vorgebrachte und auf eine praxisgerechte Handhabung zielende Anregungen von Sozialeinrichtungen befriedigend eingegangen wurde.

Das geschilderte Problem hat übrigens bereits zur vorigen Jahrhundertwende Christian Morgenstern in seinem Gedicht "Die Behörde" beschäftigt – ich zitiere auszugsweise –:

"Korf erwidert darauf kurz und rund: Einer hohen Direktion stellt sich, laut persönlichem Befund untig angefertigte Person als nichtexistent im Eigen-Sinn bürgerlicher Konvention vor". Am Schluss des Gedichtes ist zu lesen: "Staunend liest’s der anbetroffne Chef." (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bereits mit der Meldegesetznovelle 1985 – Frau Kollegin Fösleitner hat schon darauf hingewiesen – wurde unter anderem die Absicht verfolgt, den stufenweisen Aufbau einer zentralen Meldedatei beim Bundesministerium für Inneres zu ermöglichen. In den Erläuterungen der Regierungsvorlage für die dann 1991, sechs Jahre später, vorgenommene Neufassung des Meldegesetzes wurde darauf hingewiesen, dass es seit dem In-Kraft-Treten dieser Bestimmung nicht gelungen sei, das zentrale Melderegister einzurichten. Dies wurde damals so begründet – ich zitiere –:

Die Ursache hierfür ist vermutlich darin zu sehen, dass der Umgang mit automationsunterstützter Datenverarbeitung bei den als Meldebehörden fungierenden Gemeinden in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrzehntes noch vielfach auf Schwierigkeiten gestoßen ist, sodass die ersten Versuche einer Umsetzung auf Widerstände stießen, die alsbald Entmutigung beim damaligen Innenminister eintreten ließen. Damit ergibt sich heute, mehr als vier Jahre nach Inkrafttreten der Gesetzesbestimmung, die Tatsache, dass ein zentrales Melderegister nicht besteht. – So die Bilanz des Innenministers 1991.

In den Erläuterungen der Regierungsvorlage für die 1994 im Rahmen des Hauptwohnsitzgesetzes beschlossene Änderung des Meldegesetzes wurde darauf hingewiesen, dass eine effektive Verwirklichung des Hauptwohnsitzes ohne zentrale Melderegister schwer denkbar sei: Nur mit diesem Instrument könne mit Sicherheit festgestellt werden, ob sich im Einzelfall ein Mensch tatsächlich nur an einem Ort angemeldet hat. Da es sich bei dem zentralen Melderegister in dieser Konzeption um ein technisch besonders anspruchsvolles Projekt handle, dessen Verwirklichung mehrere Jahre in Anspruch nehmen werde, wurde vorgesehen, dass die betreffende Bestimmung erst am 1. Jänner 1998 in Kraft tritt. – Zitat damaliger Innenminister.

Dass es zu diesem Zeitpunkt, 1998, aber auch zu Beginn des Jahres 2000 immer noch kein zentrales Melderegister gab, wurde in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage damit begründet, dass durch die Arbeit am Schengener Informationssystem die knappen EDV-Ressourcen durch Jahre hindurch weitestgehend gebunden gewesen seien.

Nach dieser von drei Innenministern begleiteten Odyssee durch mehrere Novellen des Meldegesetzes ist es umso erfreulicher, dass der neue Innenminister das Projekt gerade noch rechtzeitig vor der Volkszählung auf die Beine gebracht hat. Abgesehen von der Bedeutung für das Meldewesen an sich und eine künftig weniger aufwendige Volkszählung mit der für einen gerechten Finanzausgleich wichtigen Möglichkeit kürzerer Zählintervalle, ist das zentrale Melderegister auch eine wichtige Voraussetzung für das von der neuen Bundesregierung intensiv betriebene Projekt "E-Government".

Von diesem Geist noch nicht ganz erfasst scheint mir allerdings die Bestimmung in § 16a Abs. 8 des Meldegesetzes zu sein, wonach für Abfragen im Wege des Datenfernverkehrs von den


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite