Bundesrat Stenographisches Protokoll 676. Sitzung / Seite 117

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Es wäre eine verantwortungslose Politik, wenn wir Ihnen und der Bevölkerung verschweigen würden, wie sehr die Gerichtsorganisation ins Hintertreffen geraten ist. Wir sind Schlusslicht in Europa. Wenn wir den Bevölkerungsschnitt ohne Wien auf die Gerichtssprengel umlegen, fallen auf jedes Bezirksgericht in Österreich 36 000 Einwohner. In Bayern sind es 169 000 pro Amtsgericht. Sie können sich vorstellen, dass die Entwicklung dort natürlich auch nicht unbedacht vorangetrieben wurde. In ganz Europa ist das so: in Luxemburg, in Holland, in Frankreich, in Deutschland im Schnitt. Nur in Slowenien ist die Organisation ähnlich schlecht; da hat man 42 000 Einwohner pro Eingangsgericht. (Präsident Ing. Klamt übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben all das überlegt, und es ist nicht richtig, sehr geehrter Herr Bundesrat Gruber, dass wir uns in Salzburg kalte Füße geholt hätten. (Bundesrat Gruber: Ich habe die "Salzburger Nachrichten" zitiert!) Ich kann es nicht verhindern, dass eine Zeitung, die natürlich an Konflikten interessiert ist, das so schreibt. Der Herr Landeshauptmann hat ausdrücklich erklärt, dass er den Reformbedarf anerkennt. Ich wiederhole an Sie die Einladung, sich unsere Argumente anzusehen, und zwar sind das Argumente, die wir im Interesse der Bevölkerung anbringen und nicht gegen die Interessen der Bevölkerung.

Nochmals, damit es niemand überhören kann: Es geht uns nicht um das Geld. Natürlich können wir auch einiges einsparen, aber es geht uns um die bessere rechtliche Versorgung der Bevölkerung. Wenn diese nicht eintritt, liegt die Verantwortung nicht beim Bundesminister für Justiz. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.00

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Freiberger. Ich erteile es ihm.

18.00

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Aus steirischer Sicht ist die Situation zurzeit so, dass von 35 Bezirks- und drei Landesgerichten auf Grund des Vorschlags aus Ihrem Ministerium, Herr Bundesminister, künftig neun so genannte Eingangsgerichte in den Ballungsräumen bestehen sollen.

Wenn man diese Liste betrachtet, die heute schon mehrmals erwähnt wurde – ich verstehe da Kollegen Weilharter nicht, er muss einen politischen Masochismus entwickelt haben, wenn es darum geht –, sieht man Folgendes: Für den Bezirk Murau scheint das Gericht überhaupt nicht mehr auf, das ist bei Judenburg angehängt. Der Bezirk Murau hat zurzeit drei Gerichtstandorte, nachher gibt es ihn als Gerichtsstandort überhaupt nicht mehr. Detto geht es – ich füge wieder hinzu: nach diesem Vorschlag – so großen Bezirken wie Weiz, Mürzzuschlag und Fürstenfeld.

Wo Bezirkshauptstädte sind, ist von Gerichten ... (Bundesrat Weilharter: Gibt es, oder gibt es nicht?) Diesen Vorschlag gibt es. (Bundesrat Weilharter: Nein, als Standort!) Du weißt nicht, ob es bei dir im Bezirk noch drei Gerichte gibt? – Es gibt sie noch. (Bundesrat Weilharter: Nein, ich weiß es wohl!) Dann frage nicht, wenn du es weißt. Von deinem Masochismus habe ich deshalb gesprochen, weil du zu diesen neuen Vorschlägen ständig applaudierst. Das ist es, was ich nicht verstehe. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nach diesem Vorschlag des Bundesministeriums wie gesagt so, dass einige Bezirke in der Steiermark keine Gerichtsstandorte mehr haben sollen. Es soll auf neun reduziert werden. Das ist für uns einfach nicht annehmbar.

Ich erinnere mich noch an die Aufführungen unseres ehemaligen Kollegen Tremmel hier, seines Zeichens FPÖ-Bundesrat. Mit einer – wie heißt das im Theater? (Bundesrat Konecny: Tremolo?)  – wirklich schauspielhaften Darbietung, mit einer Dramaturgie, die eher ins Burgtheater als hierher gehört hätte, hat er um die Kleinstgerichte gekämpft. Das wäre wirklich serienreif gewesen. (Bundesrat Marizzi: Dafür hätte ihm der Iffland-Ring gebührt!) Und jetzt muss man sich diesen geistigen Wandel anschauen – vor allem dass Kollege Weilharter damals applaudiert hat, war überhaupt das Schärfste. Auf seine heutige Haltung dazu soll sich jeder selbst seinen Reim machen.


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