Bundesrat Stenographisches Protokoll 678. Sitzung / Seite 117

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nicht mehr, wenn man es nicht wieder liest – "wurden die Kosten für die Einheit auf 800 Milliarden DM taxiert, inzwischen ist man schon bei 1 400 Milliarden DM, ohne dass ein Ende absehbar wäre. Der gravierende Unterschied:" – in dem Fall zu Amerika –

"Die Steuersenkungen und auch die erhöhten Ausgaben in den USA sind wachstumswirksam, die Ausgaben in der EU reine Subvention. 80 % der genannten Summe fließen nämlich in Landwirtschaft und Infrastruktur, liefern also praktisch keine Rendite auf das eingesetzte Kapital. Es entstehen, wie damals in Deutschland auch, wunderschöne blühende Landschaften ohne eigene Wirtschaftsdynamik. Im Gegenzug freuen sich die Europäer aber über politische Stabilität."

In diesen letzten Worten – jetzt komme ich auf eine andere Schiene – finde ich jedoch auch hier den positiven Ansatz und gehe noch einen Schritt weiter, nicht nur um des politischen Friedens willen, sondern ganz einfach, weil das Schaffen eines Smetana und eines Bartók ebenso unverzichtbarer Bestandteil europäischer Kultur ist wie die Werke eines Grieg, Händel, Vivaldi, Bach oder Mozart. Aber Behutsamkeit ist angesagt. Dass die osteuropäischen Staaten in dieses Europa gehören, versteht sich von selbst, aber wir müssen uns auch bewusst sein, dass Konfliktgefahren verborgen sein können, wenn man den Beitrittsländern Dinge in Aussicht stellt, die man später nicht einhalten kann.

Ebensolches Konfliktpotenzial birgt aber auch das Verschweigen von diversen Umständen gegenüber der eigenen Bevölkerung. Europa kann nicht ausschließlich von Staats- und Regierungschefs und Kommissionen getragen werden. Europa muss von der Bevölkerung getragen werden (Beifall bei den Freiheitlichen)  – von der Bevölkerung, die in dieser Union lebt, wenn es auf Dauer bestehen will. Und hiezu bedarf es auch insbesondere eines starken Parlaments zur Vertretung der Interessen dieser Bevölkerung, wovon derzeit noch nicht sehr viel zu merken ist.

Aus den zuvor genannten Gründen sind wir Freiheitlichen auch für die volle Einbindung der Bevölkerung in diese Entscheidungsprozesse, weil ein Europa gegen dessen Bevölkerung niemals möglich sein wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Spätestens seit der irischen Volksabstimmung und dem Gipfel von Göteborg muss allen Beteiligten klar sein, dass die selbstgefällige Selbstdarstellung bei den Gipfeln nicht ausreicht, um die Bevölkerungen in Begeisterungsstürme ausbrechen zu lassen.

Diese Tatsache hat unsere Regierung dankenswerterweise bereits erkannt, und sie hat zumindest auch schon begonnen, entsprechend zu reagieren. Das sei hier ganz groß anerkannt.

Die Selbstdarstellung auf diesen Gipfeln hat mich schon immer fatal an die letzte Szene in Wagners "Rheingold" erinnert: Während die Götter feierlich in Walhall einziehen, hört man im Hintergrund – das verstehen nur die Wagnerianer – die Stimmen der Rheintöchter, die den Raub des Rheingoldes beklagen. Über Auftrag Wotans, der dieses Klagen als lästige Störung seiner feierlichen Zeremonie empfindet, ruft Loge, der Listige und Sarkastische, den Rheintöchtern zu, sie mögen sich nach dem Verlust des Goldes im Rhein künftig in der Götter hellem Glanze sonnen. – Das Ende der Geschichte in der "Götterdämmerung", also im vierten Teil, ist von mir als bekannt vorausgesetzt.

Wie ich schon gesagt habe: Nicht ohne und nicht gegen, sondern mit der Bevölkerung ist dieses Europa zu bauen, über Schattenseiten und Risken ist ebenso zu informieren wie darüber, dass Europa vor der einmaligen Chance steht, im Wege eines fairen Miteinander Großer und Kleiner, Stärkerer und Schwächerer einen friedlichen Kontinent zu schaffen, auf dem die Kriege vergangener Jahrhunderte endgültig nur mehr der Geschichte angehören. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.02

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.


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