Bundesrat Stenographisches Protokoll 679. Sitzung / Seite 296

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Ich möchte aber auf den Vertretungsanspruch zurückkommen, den die Arbeitnehmer eindeutig haben: 80 Prozent der Erwerbstätigen sind unselbständig erwerbstätig. Aber nach diesem neuen Vorschlag würde die Besetzung im Verwaltungsrat nur mehr 43 Prozent ergeben. Das ist ganz einfach politische Willkür und brutale Machtpolitik, die jetzt betrieben wird! Das hat mit Demokratie sehr wenig zu tun. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Polleruhs: Es soll ab und zu auch das Wort der Bibel gelten: "Die Letzten werden die Ersten sein!") – Das sind Wunschvorstellungen, die Sie jetzt mit Ihrer Mehrheit durchsetzen. (Bundesrat Winter: Das habt ihr eh praktiziert! – Ruf bei der SPÖ: Pharisäer! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! 3 Millionen versicherte Arbeitnehmer in dieser Solidargemeinschaft haben sieben Sitze im Verwaltungsrat inne, und 300 000 Unternehmer und Bauern haben ebenfalls sieben Sitze im Verwaltungsrat. Das ist sicherlich nicht mehr eine Versichertenvertretung in der Selbstverwaltung, wie wir es bis jetzt gehabt haben. Bis jetzt hat es darüber eine Sozialpartnereinigung gegeben. Diese gibt es jetzt nicht mehr. Jetzt fährt die Regierung mit ihren Koalitionsparteien drüber und macht eine Anlassgesetzgebung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was dabei noch sehr eigenartig ist und was der Herr Bundesminister uns des Langen und Breiten zu erklären versucht hat, ist das Funktionsverbot für Interessenvertretungen. Wenn ich nur etwa an die Worte des neugewählten Präsidenten Schöls denke, der gestern seine Antrittsrede gehalten hat, in der er gerade die Mitgestaltungsmöglichkeiten für die Interessenvertreter herausgestrichen hat – er hat gesagt, er halte absolut nichts davon, dass Interessenvertreter in Parlamenten nicht vertreten sind –, dann muss ich sagen, das sollte selbstverständlich auch für eine Selbstverwaltung der Sozialversicherung gelten. Es sollte auch in diesem Gremium kein Funktionsverbot für Interessenvertreter, Parlamentarier oder Parteiangestellte geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, dass die Rahmenbedingungen, die Sie in diesem Bereich schaffen, vor dem Verwaltungsgerichtshof ohnehin nicht halten werden, und dass jene Leute, die von der Sache etwas verstehen, selbstverständlich wieder die Interessenvertreter in dieser noch vorhandenen Selbstverwaltung mitbestimmen lassen werden.

Auf das Abstimmungsverhalten der ÖAAB-Abgeordneten am heutigen Tag bin ich schon gespannt. Nachdem mein Freund Präsident Schöls gestern in seiner Antrittsrede diesen dringenden Appell vorgetragen hat, bin ich schon neugierig, wie Sie sich hier bei der Abstimmung verhalten werden.

Meine Damen und Herren! Die Vorgangsweise, also das, was jetzt passiert, ist eindeutig ein kalter Putsch gegen Herrn Präsidenten Sallmutter. Dabei geht es eindeutig um eine Person. Darüber kann man unterschiedlicher Auffassung sein, aber ich nenne es einmal so: Die feine, englische Art ist das sicher nicht, so wie es jetzt vollzogen wird, und das entspricht absolut nicht unseren demokratischen Vorstellungen.

Aber was noch viel schlimmer ist, ist die Entmachtung der Arbeitnehmerseite im Hauptverband. (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und SPÖ. – Ruf: Eine Demokratisierung ist das!)  – Nach der Auffassung von Ihnen! Das ist durchaus möglich. Ich habe einen ganz anderen Ansatz dazu. Ich habe es aber vorher erklärt: Über 80 Prozent der Versicherten haben gleich viele Sitze wie 300 000 Selbständige und Bauern inne. Darüber braucht man sich gar nicht weiter auszulassen. Jeder kann, so glaube ich, nachvollziehen, welche Ungerechtigkeit da passiert.

Aber alle diese Ungerechtigkeiten, die da passieren, erfolgen immer wieder mit Zustimmung der ÖAAB-Vertreter. Wie lange die ÖAAB-Vertreter eine solche Politik gegen Arbeitnehmer noch mitmachen, ist die Frage.

Ich möchte nur kurz noch einmal die Belastungen auflisten. Man muss sich all das immer wieder vor Augen führen, denn es geht in einer so rasanten Geschwindigkeit vor sich, dass man immer wieder vergisst, was alles gegen die Arbeitnehmer oder gegen die Allgemeinheit passiert ist.


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