Bundesrat Stenographisches Protokoll 679. Sitzung / Seite 337

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

sprechenden Schutz des Opfers bei Gericht. Diese Erfahrung basiert bei mir auf jahrzehntelanger Tätigkeit! Vielleicht sollten Sie sich einmal damit beschäftigen, wie solch ein Verfahren tatsächlich abläuft, und dass letztendlich, wenn das Opfer nicht aussagt, keine Beweise dazu führen können, dass der Täter verurteilt wird.

Wenn Sie hier sagen, Kollege Weilharter, dass wir seitens der SPÖ nicht für den Opfer schutz, sondern für den Täter schutz sind, dann liegen Sie mehr als falsch. Es ist eine Unverfrorenheit, was Sie heute in diesem Raum geäußert haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Um so eine Aussage zu treffen, sollten Sie sich wirklich einmal intensiver mit der Materie beschäftigen. Vielleicht lassen Sie sich von Fachleuten einladen – nicht von Experten, von Fachleuten, und damit meine ich die Praktiker, die draußen vor Ort mit der Problematik beschäftigt sind.

Wenn der Herr Minister sagt, dieses Gesetz, dieser § 54 basiere auf Zusammenarbeit mit Kinderschutzzentren, dann darf ich in diesem Zusammenhang Folgendes zitieren: Die Kinderschutzgruppen an den Spitälern berichten, dass die höhere Verantwortung zu mehr Aufmerksamkeit bei der Spurensuche geführt hat. Aber was für ein schwieriges Feld! 81 Prozent aller Anzeigen führen zu keinem Gerichtsverfahren.

Kinderprimarius Michael Höllwarth sagte wörtlich – er ist der Leiter der Kinderschutzgruppe Graz, auf den sich gerade diese Bundesregierung sehr gerne beruft –: Frage nicht, wie es dem kleinen Mäderl geht, wenn der Vater mit einem Freispruch im Zweifel heimkommt und als Erstes seine Frau tögelt – für Sprachunkundige: "schlägt" –, weil diese dem Kind das nicht ausgeredet hat.

Kinderschutzgruppe Preyersches Krankenhaus Wien: Es genügt jedoch nicht, nur das Kind zu behandeln und Anzeige zu erstatten. Dadurch könnte das Opfer auch weiterhin in der Opferrolle verbleiben, da es für die Konsequenzen verantwortlich gemacht wird.

Kollegin Grander! Sie kommen aus dem Pflegedienst. Aussage des Pflegedienstes Kinderschutzgruppe Graz: Bei der Aufnahme von Patienten mit Verdacht auf Kindesmisshandlung wurde sofort Anzeige erstattet. Das Kind mit seinen Problemen wurde nicht wahrgenommen. – Und genau das ist der springende Punkt!

Ich muss der ÖVP vorwerfen, dass sie hier in meinen Augen Kindesweglegung betreibt. Das ist nur ein Teil von Studien (eine Reihe von Unterlagen vorweisend), die der damals zuständige Bundesminister Bartenstein herstellen hat lassen. Ich bin ihm aus meiner Sicht auch heute noch zu Dank verpflichtet, dass er sich die Mühe gemacht hat, sich mit dieser Materie auseinander zu setzen. Er selbst empfiehlt: Ziehen Sie keinesfalls voreilige Schlüsse aus Ihren Beobachtungen, und konfrontieren Sie die Betreuungsperson des Kindes nicht vorschnell mit Ihren Vermutungen, aber zögern Sie nicht, die Unterstützung spezialisierter öffentlicher oder privater Einrichtungen in Anspruch zu nehmen!

Dann, meine Damen und Herren, ist etwas passiert: Das Ärztegesetz wurde 1998 auf Erkenntnisse dieser Studien novelliert. Ich habe noch einen halben Kofferraum voll mit Papier. Ich wollte es eigentlich aus aktionistischen Gründen hereinbringen lassen, habe mir aber dann gedacht: Nein, das mache ich doch nicht, weil ich, ehrlich gesagt, überzeugt bin, dass es ohnehin nichts genützt hätte.

Aber vielleicht sollte sich gerade die ÖVP-Fraktion einmal überlegen, welchen Schritt sie weiter gehen will. Wir haben heute einen Tag mit der Sozialgesetzgebung verbracht. Ehrlich gesagt mache ich mir schon große Sorgen. Wenn Sie es schaffen, in so kurzer Zeit alle Ihre Grundsätze und Prinzipien über Bord zu werden, dann werden Sie sich wahrscheinlich eines Tages der Frage stellen müssen: War es das wert? War es das wert, Wünsche, die in der Vergangenheit seitens der FPÖ nicht erfüllt werden konnten, zu erfüllen? – Ich glaube, die FPÖ hat die missglückte Unterschriftenaktion bis heute nicht verdaut.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite