Bundesrat Stenographisches Protokoll 680. Sitzung / Seite 41

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Frau Bundesministerin! Wir wissen, dass die Ereignisse der letzten Wochen geprägt sind durch den 11. September 2001. Zum 20. September 1792 notierte der Minister des Herzogs von Weimar Johann Wolfgang von Goethe: "Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen." Er meinte die Kanonade von Valmy. – Wir waren jetzt bei diesem schrecklichen Ereignis fast zeitgleich Zeugen.

Frau Bundesministerin! Dem Terror stimmt niemand zu, und trotzdem wird man nachdenklich. Auch Sie, Frau Bundesministerin, haben das in Ihren Äußerungen gesagt, und viele hier ebenfalls: Man wird nachdenklich.

Hier habe ich nun die Zeitschrift "International" vor mir. Das ist eine Zeitschrift, die eher den Sozialdemokraten bekannt zu sein scheint. Da kann ich nur sagen: Warum lesen wir alle nicht diese Zeitschrift, Herr Professor Konecny? (Bundesrat Konecny: Sie dürfen das ein Mitglied des Herausgebervereins nicht fragen!) Ich weiß, ich möchte Ihnen nur meine Anerkennung für die Herausgabe dieser Zeitung aussprechen. Uri Avnery und Fritz Edlinger, der Bruder des ehemaligen Finanzministers ... (Bundesrat Ing. Polleruhs: Die Zeit ist auch schon fortgeschritten!) Bitte? (Bundesrat Ing. Polleruhs: Das rote Licht brennt schon lange!) Das ist gut; lasse es brennen. (Heiterkeit.)

Uri Avnery und Fritz Edlinger zeigen deutlich auf, woran es fehlt: "Obwohl internationales Recht ausdrücklich die Besiedlung von besetzten Gebieten durch Besatzungsmächte verbietet, sind Dutzende von Gesetzen und Militärverordnungen geschaffen worden, um dieses Unternehmen voranzutreiben". – Das schreibt Uri Avnery. Er stellt auch fest: "Die Siedler begannen kurz nach dem Krieg von 1967 die besetzten Gebiete zu besiedeln." Und: "Derzeit leben etwa 200 000 Siedler in der Westbank und in Gaza. Weitere rund 200 000 Israelis leben in Siedlungen in der Region um Jerusalem."

Fritz Edlinger schreibt: In Israel werden die "Andersdenkenden ... isoliert und als verräterische Netzbeschmutzer diffamiert, die äußeren Gegner (die Palästinenser) werden – so wie in den vergangenen 53 Jahren – mit mehr oder minder brutaler Gewalt ihrer Rechte beraubt". Weiter heißt es: "Die Ursachen dieser gewaltsamen Reaktionen (eine seit 53 Jahren andauernde Besetzung, Landraub, Vertreibung aus der eigenen Heimat, Errichtung eines rassistischen und auf nationaler und religiöser Ungleichheit aufbauenden ‚Unrechtsstaates’ et cetera) sollen – nach dem Willen der israelischen Führung – aber möglichst stark in den Hintergrund gedrängt werden." Es wird auf Überlegungen hingewiesen, eine Propaganda-Offensive in dieser Richtung zu starten.

Frau Bundesministerin! Es bleibt nichts anderes übrig – wir haben das in der Fragestunde schon erörtert –: Ein Schritt in die richtige Richtung besteht in der Anerkennung und Umsetzung der UNO-Resolutionen 242 und 338, die den Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung ebnen könnten.

Wir wissen, viel Sympathie in der gesamten islamischen Welt und darüber hinaus für die Taliban und für Osama bin Laden entsteht durch diese Ungerechtigkeit – oft vorgetäuscht, aber oft auch als Anlass genommen. Es ist Zorn und Enttäuschung über die Politik, die der Westen gegenüber Israel und den Palästinensern, gegenüber dem Irak, Kaschmir, Bosnien und anderen betreibt.

Die Inderin Arnudhati Roy erinnert in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" an Madeleine Albrights Aussage, die sie machte, als sie 1996 zu den damals rund 500 000 toten irakischen Kindern, welche auf Grund des Wirtschaftsembargos gestorben sind, befragt wurde: Sie sagte, dass die Entscheidung wohl schwer, aber der Preis nicht allzu hoch war. – Das sind Äußerungen, die in den Bevölkerungen dieser Gegend weiterleben, die den Hass gegen den Westen – und damit sind auch wir gemeint – schüren und durch solche Ereignisse eigentlich aufleben lassen. Man erinnert sich!

In diesem Artikel wird weiters erinnert an die nicht erfolgte Auslieferung von Warren Anderson, des Chefs von Union Carbide, der für die Katastrophe von Bhopal in Indien mit 16 000 Toten


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