Bundesrat Stenographisches Protokoll 681. Sitzung / Seite 81

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men müssen, denn dazu würden sie genötigt werden –, so hat eine Umfrage, die schon vor geraumer Zeit durchgeführt wurde, ergeben, dass 54 Prozent der irischen Wahlbevölkerung vor allem mit der Brüsseler Politik und mit den gemeinschaftlichen Entscheidungsverfahren unzufrieden sind, insbesondere, was den Nizza-Vertrag anlangt, und dass die restlichen 46 Prozent, davon ungefähr die Hälfte, meinungslos oder dafür sind.

Es ist doch eigentlich sehr ausdrucksstark, dass wir hier ein Tempo vorlegen, das von einem Teil der Mitglieder nicht gutgeheißen wird und bei dem ich mich frage: Was nötigt uns dieses hohe Tempo auf! Es muss natürlich zusammenwachsen, was natürlich zusammengehört – aber nicht mit einem Schnellzugstempo, welches uns, auch uns in Österreich, gar nicht zu eigen ist. Das ist Technokratie, aber nicht menschenwürdige Politik!

Nun komme ich auf die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die auch in den Nizza-Vertrag hineinspielen, zu sprechen. Natürlich ist auch die Glaubwürdigkeit der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Spiel. Die EU muss gegenüber der Türkei die Verlässlichkeit einer Zusage beweisen, von deren Weisheit viele in der Europäischen Union selbst nicht überzeugt sind.

Noch immer hallt der Donnerknall des türkischen Außenministers Ismail Cem nach, der im Sommer bei einem Besuch in Nordzypern drohte, die türkische Reaktion auf einen EU-Beitritt Zyperns werde keine Grenzen kennen. Falls Zypern, das von Griechenland repräsentiert wird, in der nächsten Erweiterungsrunde Mitglied der EU werden sollte, sei man gezwungen, den Norden zu annektieren.

Ich halte das für eine bedenkliche Drohung, und ich halte es für eine Notwendigkeit, über diesen Zypern-Vertrag zu sprechen. Wir ratifizieren heute nur ein Ermächtigungsgesetz, aber wenn es zum Gesetz kommen sollte, dann müssen wir uns diesen Einwendungen stellen und auch den Einwendungen, die Herr Professor Molden in der Zeitung "Die Presse" vorgebracht hat. Das sind Äußerungen, die zum Teil meine Gemütslage wiedergeben und zum Teil darüber hinausgehen. Das will ich schon sagen. Wir müssen sie beachten, wir müssen darüber sprechen.

Zum Schluss möchte ich kurz auf ein Thema zu sprechen kommen, das für mich als Österreicher, der Verwandte und Freunde hat, die sowohl südlich als auch nördlich unserer kleinen Republik leben und die nach 1945 Leben und Gut verloren haben, wichtig ist, und sagen: Ohne Aufhebung, ohne Entschuldigung, ohne Wiedergutmachung für Verbrechen im Namen von Beneš oder AVNOJ werde ich meine Zustimmung zu EU-Erweiterungen nicht geben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Ferdinand Maier das Wort. – Bitte.

15.05

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es haben meine Vorredner schon erwähnt: Wir hatten Gelegenheit, uns im Rahmen einer Enquete mit der europäischen Politik, mit dem Vertrag von Nizza, mit der EU-Erweiterung auseinander zu setzen. Ich halte das für ganz wichtig. Auch im Rahmen des EU-Ausschusses sind wir sehr bemüht, uns ständig mit diesen Fragen zu befassen und die Fragen zu hinterfragen und sich damit auch auseinander zu setzen. Erst unlängst, nämlich vorgestern, war wieder Gelegenheit, darüber zu diskutieren.

Dieser Diskussionsprozess zeigt zwei Dinge auf: erstens, wie wichtig es ist, dass sich die Länderkammer mit den Fragen des Europa auseinander setzt. Ich habe manchmal den Eindruck, dass in den Ländern geglaubt wird, dass wir noch nicht so richtig in Europa sind. Daher ist es ganz wichtig, sich mit der europäischen Entwicklung auseinander zu setzen.

Das Zweite, das man sieht, ist, dass das ein ständiger Prozess ist. Die Diskussionen im EU-Ausschuss verlaufen sehr unterschiedlich. Man kann erkennen, wie sich die Dinge weiterentwickeln. So sehe ich natürlich auch den Vertrag von Nizza als einen Vertrag, der einiges aus


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