Bundesrat Stenographisches Protokoll 681. Sitzung / Seite 94

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Wir haben uns auf drei Fragen konzentriert, die für die Geschicke dieses Landes und seine Zukunft zur Entscheidung anstehen und bei denen das Interesse der Bevölkerung sowie das Bedürfnis der Bevölkerung nach klarer Orientierung überwältigend sind.

Sie haben mich auf mein "Reisegepäck" angesprochen. Ja, das Erste dieser Themen ist die Neutralität. Wir haben in den letzen Tagen – so lese ich in der Wirtschaftspresse – eine bemerkenswerte Umsatzsteigerung bei einem bekannten österreichischen Exportartikel erlebt. (Bundesrat Mag. Gudenus: Qualität!) Ich meine jetzt die Mozartkugeln, Herr Kollege! Die Erzeuger derselben haben mitgeteilt, es hat noch niemals derartige Umsatzzuwächse gegeben, seitdem der Herr Bundeskanzler – im übertragenen Sinn des Wortes – die Mozartkugeln in den Mund genommen hat. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir kennen aus der politischen Auseinandersetzung den Begriff der "Abstimmung mit den Füßen". Der Herr Bundeskanzler hat da etwas Neues ausgelöst, nämlich die "Abstimmung durch das Naschen", indem er die Mozartkugeln auf dieselbe Stufe wie die Neutralität gestellt hat. Es versteht sich von selbst, dass ich mir natürlich zur Erläuterung dieses Punktes eine Packung davon mitgenommen habe. (Der Redner stellt eine Schachtel Mozartkugeln links vor sich auf das Rednerpult. – Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. )  – Nein, Kollege Gudenus, nicht zur allgemeinen Verteilung (Bundesrat Gasteiger: Sind die für Kollegen Bieringer?), aber Sie haben sich mit Ihrem in der Diskussion zum vorigen Tagesordnungspunkt abgegebenen klaren Bekenntnis zur Neutralität eine Mozartkugel verdient, die ich Ihnen hiemit überreiche. (Der Redner nimmt eine Mozartkugel aus der Schachtel und überreicht sie Bundesrat Mag. Gudenus. – Beifall und Bravo-Rufe bei der SPÖ.)

Der Herr Bundeskanzler hat in diesem Zusammenhang ein weiteres nationales Heiligtum genannt, nämlich unsere Lipizzaner. (Der Redner stellt ein Stofftier in Gestalt eines Lipizzaner-Pferdes vor sich in die Mitte des Rednerpultes. – Beifall bei der SPÖ.) – Kolleginnen und Kollegen! Sie haben Recht mit Ihrem Applaus. Das sind nun tatsächlich Ikonen unseres Nationalbewusstseins. Welche Bewusstseinslücke der Herr Bundeskanzler gehabt hat, dass er nicht die Sängerknaben dazugezählt hat (Heiterkeit bei der SPÖ)  – was für mich jetzt ein gewisses Problem gebracht hätte –, weiß ich nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Polleruhs. )

Aber natürlich hat der Herr Bundeskanzler bei der Aufzählung unserer nationalen Ikonen auch die Neutralität genannt – allerdings, wenn ich das Zitat richtig verstehe, nicht in guter Absicht. Er hat – und dieses Zitat ist zu bekannt, um es hier noch einmal wiederzugeben – diese drei Merkmale im gleichen Atemzug genannt, aber nicht, um zu sagen, dass wir uns damit auf unterschiedlichen Ebenen definieren – nein! –, sondern dass sie nicht mehr greifen, dass sie alte Schablonen seien.

Nur zur Erinnerung: Ich bin gerne bereit, das (der Redner stellt eine Tafel rechts neben sich auf das Rednerpult, auf dem, auf drei Zeilen mit abwechselnd rotem, weißen und wieder rotem Hintergrund aufgeteilt der Satz "Die Neutralität ist dauernde Basis unserer Außenpolitik" steht und darunter: "Julius Raab 26. Oktober 1955") nachher für die Wanddekoration im ÖVP-Klub zur Verfügung zu stellen. Darauf finden Sie ein Zitat eines der Großen der ÖVP, nämlich von Julius Raab, der, wie ich meine, zu Recht festgestellt hat, dass die Neutralität die dauernde Basis unserer Außenpolitik ist. Das ist ein Satz, der nicht nur in dem Augenblick, als ihn Julius Raab aussprach, Bedeutung hatte, sondern auch für die Jahre seither und ebenso für die Zukunft – von heute aus betrachtet.

Ich will kein Bekenntnis zu den Mozartkugeln ablegen, aber es ist schon richtig, und die Österreicher haben es ganz anders verstanden, als es der Herr Bundeskanzler erwartet hat. Jawohl! Es gibt Merkmale dieses Landes – drei davon hat er aufgezählt, keines davon lassen sich die Österreicher herausschießen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Grünen.)

Keine Frage – und das ziehen wir in dieser Anfrage nicht im Geringsten in Zweifel –: Die Neutralität ist ein völkerrechtliches Instrument, das dynamisch weiterzuentwickeln ist. Wir haben keine Scheu davor, das auch und gerade angesichts des Vertrages von Nizza, den wir soeben debattiert haben, zum Ausdruck zu bringen. Wir haben uns, durchaus initiativ, freigeschwommen


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