Bundesrat Stenographisches Protokoll 681. Sitzung / Seite 96

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nicht freuen. Aber eine Regierung zu kritisieren, weil sie unserer Überzeugung nach eine falsche Politik macht, ist die eine Sache, eine Regierung kritisieren zu müssen, weil sie keine Politik macht, das bereitet nicht einmal der Opposition wirklich Freude! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Neutralität – ich sage das noch einmal – ist ein verfassungsrechtlich abgesicherter Grundsatz unseres Staatsgefüges. Sie wissen so gut wie ich, dass es für die Änderung dieser Verfassungsbestimmung in keinem der beiden Kammern dieses Parlaments die erforderliche Verfassungsmehrheit gibt. Die scheibchenweise Demontage der Neutralität, zu der die Worte des Herrn Bundeskanzlers ein weiterer Schritt sind, ist nichts, was mit uns machbar ist. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Es wird, wenn die Bundesregierung glaubt, mit einer solchen Politik fortsetzen zu müssen, notfalls auch der Hüter der Verfassung seine Meinung zu sagen haben.

Nun hat der Hüter der Verfassung, nämlich der Verfassungsgerichtshof, keine Meinung zu Aussagen, sondern zu konkreten Maßnahmen zu haben, aber parlamentarische Körperschaften haben sehr wohl das Recht und die Pflicht, auf Aussagen eines Regierungschefs, wenn sie in so unpassender Weise an einem Staatsfeiertag gemacht werden, zu reagieren, und das ist einer der Gründe dafür, warum wir heute diese dringliche Anfrage stellen.

Wir haben uns einen zweiten Themenbereich, der die Österreicherinnen und Österreicher in gleicher Weise bewegt, herausgegriffen, das ist die Frage des Atomkraftwerkes Temelín. Es ist, so glaube ich, kein Problem – auch nicht in diesem Hause –, in der Sache einen Konsens herzustellen und klar zu sagen: Es wäre uns allen um ein Vielfaches lieber, die tschechischen Behörden und die tschechische Politik würden nicht die Politik der Fertigstellung und Inbetriebnahme dieses Kernkraftwerkes vertreten und hätten sich bei Fortsetzung der Politik der alten Bundesregierung – was ja nicht der Fall war – auf Angebote für eine Energiepartnerschaft, einer Umrüstung des Kernkraftwerkes eingelassen. – Darüber gibt es zwischen uns keinen Dissens.

Worüber es jedoch Dissens gibt, ist, welche Optionen uns im Rahmen der Auseinandersetzung zur Verfügung stehen. Und das ist, gerade weil es um ein solch zentrales Thema geht, nicht irgendeine taktische Nebenfrage, sondern das ist die Kernfrage.

Einmal mehr gibt es da eine Bundesregierung, die in sich zutiefst gespalten ist; es gibt zwei Regierungsparteien, die einander ausschließende Formen der Politik betreiben, und das Ergebnis ist – wie zu erwarten –: nichts! Denn zwei unterschiedliche Strategien bedeuten, dass man die bescheidenen Kräfte dieses Landes zersplittert und natürlich nichts erreicht.

Da gibt es auf der einen Seite ein Volksbegehren, das drei Landesparteiorganisationen der FPÖ initiiert haben, über das sich die Frau Vizekanzlerin zeitweilig außerordentlich freundlich geäußert hat und das zum Ziel hat, dass für den Fall, dass das Atomkraftwerk Temelin zum Zeitpunkt der Beitrittsentscheidung nicht abgeschaltet ist – um es vereinfacht zu sagen –, von österreichischer Seite ein Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens eingelegt wird.

Das ist aber auch wieder nicht so klar, so höre ich. Kollege Schweitzer aus dem Nationalrat, der gerade dabei ist, die Agenden des Generalsekretärs zu übernehmen, hat gesagt, ein Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens wegen des AKW Temelín sei nicht Parteilinie der FPÖ. – Soll sein! Die Parteilinie der FPÖ hat viele Windungen durchgemacht, diese fällt auch nicht weiter auf. Allerdings hat Herr Landeshauptmann Haider dann erklärt, er erwarte sich nicht nur, dass die Frau Vizekanzlerin dieses Volksbegehren unterschreibt, sondern dass sie auch ein Veto im Ministerrat einlegt, sollte die Regierung dem Abschluss des Energiekapitels mit Tschechien zustimmen – was zwar nicht ganz dasselbe ist, aber das muss man ja nicht wissen.

Auf der anderen Seite gibt es die ÖVP. Die ÖVP in Person des Herrn Landeshauptmannes von Oberösterreich war gestern auf einer Regatta zu beobachten, allerdings auf einer Regatta in umgekehrter Richtung: "Zurückrudern" nennt man das in der politischen Umgangssprache! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Der Herr Landeshauptmann hat sich redlich bemüht, mit starken Worten zu sagen: Das tut mir alles entsetzlich Leid, aber da kann man leider nichts machen. – Das ist auch nicht wirklich eine überzeugende Strategie, zumal hier schon starke Worte und starke Drohungen zu hören waren.


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