Bundesrat Stenographisches Protokoll 681. Sitzung / Seite 97

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Es gibt natürlich auch Herrn Minister Molterer – heute ebenfalls nicht im Lande und daher nicht befragbar –, der etwas klar festgestellt hat, was an sich niemand in Zweifel gezogen hat, nämlich dass das souveräne Recht jedes Staates bestünde, über seine Energieträger selbst zu entscheiden. Dieses Recht habe auch die Tschechische Republik für sich in Anspruch genommen, und sie könne es – nach Meinung Molterers – in Anspruch nehmen.

Innerhalb von eineinhalb Stunden hat es dazu zwei Presseerklärungen gegeben: eine von Herrn Klubobmann Khol: "Khol unterstützt Politik Molterers zu Temelin" – obwohl dieser Satz ja nicht wirklich eine Politik beschrieben hat (neuerliche Heiterkeit bei der SPÖ)  –, und eine von Herrn Westenthaler: "FPÖ-Klubobmann über Aussagen Molterers befremdet", und weiter: "dies sei nicht Regierungslinie ..."

Sie werden verstehen, dass wir gerne wüssten, was Regierungslinie ist: das achselzuckende "Tut uns Leid, die Tschechen machen eben, was sie wollen, und daran können wir sie nicht hindern!", oder das Befremden des Herrn Westenthaler, der behauptet, das sei nicht Regierungslinie? Was ist Regierungslinie?

Ich gestatte mir einen kleinen Schlenker: Das, was Regierungslinie sein sollte, hat nun nicht wirklich stattgefunden, nämlich der Versuch, Verbündete in Europa zu suchen. Denn es ist keine Frage, dass die Pression gegenüber einem Nachbarn nicht wirklich eine Erfolg versprechende Strategie ist, vor allem aus folgendem Grund: Wenn man ein Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens einlegt, dann ist Tschechien nicht EU-Mitglied, aber Temelin ist trotzdem in Betrieb. – Es ist mir jedenfalls nicht bekannt geworden, dass der Betrieb Temelins von der EU-Mitgliedschaft Tschechiens abhängt.

Wenn das FPÖ-Volksbegehren erfolgreich ist, sind die Tschechen nicht in der EU, es gibt keine Kompetenz der Europäischen Union, auf Sicherheitsstandards zu achten, das Klima mit Tschechien ist ordentlich "im Brunnen", und Temelin läuft, läuft und läuft. Und wenn wir Pech haben, strahlt es, strahlt es und strahlt es! – Also eine zielgerichtete Strategie, die besagt: Wir haben die Interessen der Bevölkerung im Auge!, kann ich darin nicht erkennen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben ... (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Was hat Herr Gusenbauer ... Außenpolitik betrieben, weil er pendelt ja jetzt auch ... israelischer Botschafter!?)  – Der strahlt aber nicht, wenn er kommt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege! Ich schlage Ihnen Folgendes vor: Merken Sie sich Ihren Zwischenruf! Reden Sie mit der Frau Außenministerin darüber, was das wesentliche Ziel dieser Bundesregierung im Nahen Osten ist, und wenn Sie dann immer noch meinen, den Zwischenruf machen zu dürfen, dann machen Sie ihn Anfang Dezember! Informieren Sie sich zuerst darüber, welche gemeinsamen Ziele Regierung und Opposition gegenüber Israel verfolgen, bevor Sie mit einem solchen Zwischenruf noch einmal – das ist zwar nur ein kleines Häferl, aber trotzdem – Porzellan zerschlagen! (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. ) Lassen Sie es bitte! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage noch einmal: Die erfolgversprechende Strategie ist nicht einfach. Diese Illusion kann vis-a-vis von zwei ganz großen europäischen Mitgliedstaaten, also EU-Mitgliedstaaten, die ihre Energieversorgung im Wesentlichen auf Kernkraft abgestellt haben, niemand erwecken. Aber wir waren nicht ganz erfolglos – ich sage hier bewusst "wir", weil ich nicht mit Jänner 2000 differenzieren will – in dem Versuch, verbindliche europäische Sicherheitsstandards zu schaffen und sie auch gegenüber den Kernkraftwerken der Beitrittswerber zur Anwendung zu bringen. Wir hätten erfolgreicher sein können, aber diese Schiene ist nicht weiter verfolgt worden, diese Schiene ist in Feindseligkeit verstummt, und sie wird weiter in Feindseligkeit verstummen, wenn das Veto Realität wird, weil dann werden nicht nur die neuen Mitglieder, die keine geworden sind, Retorsionen anwenden, sondern es werden auch jene anderen 14 Mitgliedstaaten, die Hoffnungen und Erwartungen in das Projekt der Erweiterung stecken, auf den, der sie in einem Fall oder mehreren Fällen vermasselt hat, sehr böse sein und dementsprechend reagieren.


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