Bundesrat Stenographisches Protokoll 681. Sitzung / Seite 98

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Dieses Problem können wir nicht durch Trotzköpfigkeit, aber auch nicht durch pure Nachgiebigkeit lösen, sondern nur durch das Gewinnen europäischer Verbündeter. Verbündete hat man aber nicht nur dadurch, dass sie zufällig ähnlicher Meinung sind, sondern dadurch, dass man mit ihnen spricht oder mit ihnen Strategien berät.

Von den beiden eher zufällig anwesenden Regierungsmitgliedern erwarte ich mir, dass sie dazu Aussagen treffen, an denen nicht nur die Opposition – wir sind die Steller, aber nicht die alleinigen Adressaten dieser Antworten –, sondern auch die österreichische Bevölkerung eine klare Orientierung erkennen können.

Es gibt ein Drittes, das eng in Verbindung mit dem, was wir ausgewählt haben, steht: Das ist die EU-Osterweiterung. Keine Frage: Das ist ein großer und bedeutender Prozess zur Wiederzusammenführung dieses Kontinents, und ich halte fest, dass sich die österreichische Bundesregierung gemäß der Präambel der Regierungserklärung zu diesem Friedensprojekt Europa bekennt und feststellt, dass in der Vertiefung der Integration und der Erweiterung der Union auch Österreichs Zukunft liegt.

Da gibt es aber wieder jenes in der Bundesverfassung nicht vorgesehene einfache Parteimitglied, das seit allem Anfang sagt: Ohne Volksabstimmung wird das nicht gehen. Die Österreicher sollen also darüber abstimmen – nicht auf Grund sachlicher Kriterien, die sie zu erfüllen haben, das ist ein ganz anderes Thema –, ob wir sie mögen, ob wir sie wollen, ob sie hineindürfen.

Die Europäische Union hat jeden Beitrittswerber, auch seinerzeit den Beitrittswerber Österreich, den Acquis vorgelegt, den Rechtsbestand, den jedes Mitglied der Europäischen Union erfüllen muss und den allenfalls gewisse Übergangsbestimmungen sowohl hinsichtlich der Rechte als auch der Pflichten zeitweilig verzögern können.

Auch wir haben solche Ausnahmebestimmungen für uns verlangt und bekommen, sie wurden von uns gefordert, und wir haben sie gewährt. Wir sind weit fortgeschritten, wenn auch nicht bei allen Beitrittswerbern, beispielsweise bei der für uns sehr wichtigen Frage der Freizügigkeit von Arbeitskräften. Wir werden aller Voraussicht nach bei allen mit einer siebenjährigen Übergangsfrist operieren, auch wenn sich noch einzelne verhandlungsführende Staaten zieren, aber das ist wohl der mögliche gemeinsame Nenner. Es gibt individuelle Ausnahmen in beiden Richtungen, die gewährt werden müssen, um einen gleitenden und friedlichen Übergang dieser Staaten zu ermöglichen. Es gibt Forderungen, die aus dem Kreis der EU gestellt werden, um uns einen gleitenden Übergang zu ermöglichen. Es ist keine Frage – aber das sage ich nur am Rande –, dass Österreich seine Hausaufgaben bei der Osterweiterung machen muss, die Grenzregionen stärken muss, um sie im Wettbewerb mit Betrieben, die billiger produzieren können, weil sie niedrigere Arbeitskosten haben, zu stärken, und infrastrukturell bestimmte Region mit eigenen Mitteln zu stärken hat.

All das ist unbestritten, und auch wenn wir hier graduelle Unterschiede haben mögen, so ist über diese zu diskutieren.

Der Herr Bundeskanzler – da lobe ich ihn nun – hat auf die Forderung nach einer Volksabstimmung – ich meine zu Recht – geantwortet: Das ist nicht fair! Auch Österreich hätte es sich verbeten, dass über seinen Beitritt in einem anderen Land abgestimmt wird. Richtig, dieser Meinung sind wir auch. Aber eine Bundesregierung, in der der eine Teil eine Volksabstimmung als unverzichtbar fordert und der andere Teil sagt, nein, das ist nicht fair, das machen wir nicht, ist nicht das, was die Politik eines Landes einigermaßen ausrichten kann.

Daher ist es ein zwar nicht parteipolitisch, aber ressortmäßig glücklicher Zufall, dass der Herr Finanzminister zu uns gefunden hat. Ich bin – der Herr Botschafter ist anwesend – vorgestern in der Sitzung des EU-Ausschusses zurechtgewiesen worden – sachlich völlig zu Recht –, als ich zur Frage des EU-Beitritts gemeint habe: Die Zusage, dass die neuen Mitgliedstaaten 2004 bei der Wahl des Europäischen Parlaments mitwählen können, könnte man auch im Sinne einer Vorratswahl interpretieren, sodass die Abgeordneten vielleicht ein halbes Jahr später ihr Amt


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