Bundesrat Stenographisches Protokoll 681. Sitzung / Seite 100

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Ich danke von dieser Stelle aus Bundesrat Konecny, dass er sich für die knappe Form der Fragen entschieden hat. Ich bin allerdings dazu bereit und befugt, besonders ausführlich darauf zu antworten.

Lassen Sie mich zunächst ganz allgemein zu den Fragen 1 und 2 Stellung beziehen.

Die historische Bedeutung der österreichischen Neutralität steht für uns außer Frage. Sie war nicht nur die politische Voraussetzung für die Wiedererlangung der vollen Unabhängigkeit Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern sie hat Österreich auch eine eigenständige aktive Rolle in der Zeit der bipolaren Weltordnung ermöglicht.

Seit dem Wegfall des Ost-West-Konflikts haben sich jedoch die Rahmenbedingungen der österreichischen Sicherheitspolitik grundlegend geändert. Wir sind heute Mitglied der Europäischen Union und arbeiten solidarisch an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union mit. Die heutigen sicherheitspolitischen Herausforderungen bestehen darin, im Rahmen der Europäischen Union Frieden und Stabilität in umfassender Weise sicherzustellen.

Alle Erfahrungen des letzten Jahrzehnts haben gezeigt, dass Sicherheit nicht mehr im Alleingang, sondern nur noch im Verbund mit anderen gewährleistet werden kann. Die aktuellen Bedrohungen, ob es sich nun um transnationalen Terrorismus, organisierte Kriminalität, ethnische Konflikte, Drogen und Menschenhandel oder Flüchtlingsströme handelt, können nur durch gemeinsames Handeln der Staatengemeinschaft bewältigt werden.

Die gegenständliche Problematik hat durch die schrecklichen Attentate des 11. September eine neue Dimension bekommen. Und in aller Deutlichkeit sei gesagt: Gegenüber dem Terror kann und darf es keine Neutralität geben. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Wie der Herr Bundeskanzler in der "Pressestunde" vom 4. November ausführte, heißt neutral sein allein sein. In diesem Sinne unterstützt die Bundesregierung das internationale Vorgehen gegen die Urheber dieser Anschläge und gegen jene, die sie unterstützen. Die diesbezüglichen Resolutionen des Sicherheitsrates geben uns im Übrigen dafür auch eine solide und sichere Grundlage.

In diesem Zusammenhang ist es nur logisch, die österreichische Sicherheitspolitik im Rahmen einer Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin neu zu definieren und an die geänderten Rahmenbedingungen in Europa und der Welt anzupassen. Es geht dabei nicht darum, aus opportunistischen Gründen die Neutralität über Bord zu werfen, es geht vielmehr darum, die Rolle Österreichs im europäischen Sicherheitsgefüge neu zu definieren, damit wir auch in Zukunft so wie in Zeiten des Kalten Krieges einen entsprechenden Beitrag zu Frieden und Stabilität auf unserem Kontinent leisten können.

Konkret zu den Fragen 1 und 2:

Dass die Neutralität geltendes Recht ist, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden, dies ist jedoch nicht die ganze Wahrheit. So bestand anlässlich des Golfkrieges 2 ein nationaler Konsens darüber, dass internationale Zwangsmaßnahmen auf der Basis eines Beschlusses des Sicherheitsrates im Rahmen des Kapitels 7 der Satzungen der Vereinten Nationen das Neutralitätsrecht nicht aktualisieren. Daran hat sich nichts geändert.

Weiters ist Österreich 1995 der Europäischen Union ohne jeden Vorbehalt beigetreten. Wir haben dabei insbesondere auch alle Verpflichtungen aus der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik übernommen. Damit wir diese Verpflichtungen auch uneingeschränkt einhalten können, hat der Bundesverfassungsgesetzgeber 1995 den Artikel 23 f B-VG geschaffen. Er hat dabei betont, dass diese neue Rechtslage den Kernbestand der Neutralität unberührt lässt. Dieser Artikel 23 f wurde anlässlich des Vertrages von Amsterdam den aktuellen Erfordernissen in Bezug auf die so genannten Petersberg-Aufgaben, also friedenserhaltende und friedensschaffende Maßnahmen, angepasst. Es war also immer unser Ziel, unsere Verfassungsrechtslage so


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite