Bundesrat Stenographisches Protokoll 682. Sitzung / Seite 33

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Der Herr Landeshauptmann hat den Geist des Föderalismus in Österreich beschworen und gemeint, dass mit dieser Verwaltungsreform der Föderalismus eine neue Qualität erreicht hat. Da muss man sagen, das ist der Point of View, der Standpunkt, von dem aus man Föderalismus betrachtet. Aus Sicht der Gemeinden oder Städte ist das nicht eingetreten – und aus der Sicht des einzelnen Staatsbürgers, der auch ein föderales Element ist, auch nicht. Es ist hier lediglich die Sicht der Landeshauptleute zum Durchbruch gekommen.

Wir haben in Österreich einen Einnahmenzentralismus und einen Ausgabenföderalismus. Das ist die Grundstruktur, die wir durch die Verfassungen von 1920 und 1929 und den Verfassungsgesetzen danach in die Wiege gelegt bekommen haben. Der Föderalismus ist doch im Wesentlichen ein Vollzugs- und Abschreibeföderalismus, und das hat sich nicht verändert!

Verändert hat sich nun, dass wir eine Verwaltungsreform haben, bei der gespart wird. Aber wo wird gespart? – Beim Rechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger. Es ist eine Kostenverlagerung des Bundes zu den Ländern. Die Fürsten, unsere Landeshauptleute, bekommen mehr Macht, und ihre Grafschaften (Heiterkeit bei der ÖVP), die Bezirkshauptmannschaften, ebenso. Die Frage ist: Wer kontrolliert die Bezirkshauptmannschaften, die jetzt eine ganz andere Machtfülle haben?

Dass zu Lasten des Rechtsschutzes gespart wird, zeigt sich zum Beispiel bei diesem Konstrukt der Unabhängigen Verwaltungssenate. Da fehlt die ministerielle Verantwortung, und es fehlt eine echte Gerichtsbarkeit. Wir haben jetzt so etwas wie eine Quasi-Gerichtsbarkeit. Wenn die Bezirkshauptmannschaft sagt: Ihr dürft nur kassatorisch entscheiden!, dann beginnen die Verfahren im Kreis zu "rennen". Und das kann viele Male passieren.

Meine Damen und Herren! Das sind keine Säulen, wie sie der Herr Landeshauptmann heute gezeichnet hat, das ist bestenfalls ein Wackelpudding, der eine völlige Schieflage hat. Eine Verwaltungsreform ohne eine Bundesstaatsreform ist nicht vorstellbar. Die Organisation der österreichischen Gerichtsbarkeit fußt auf dem Jahr 1920, der Finanzausgleich stammt aus dem Jahr 1948! Ohne eine Bundesstaatsreform eine Verwaltungsreform zu machen, das kann nicht gelingen, und bereits jetzt gibt es viele Verfassungsrechtler, die sagen: Die mittelbare Bundesverwaltung in einigen Bereichen ohne Verfassungsgesetz abzuschaffen, das kann nicht gut gehen. (Zwischenruf des Bundesrates Keuschnigg. – Verhandlungen, Herr Kollege! Ich habe Ihnen gesagt, 1994 wurde viele Tage, Wochen und Monate verhandelt. Da gab es auch substanzielle Bewegung. Die Doppelzuständigkeiten wurden jetzt nicht beseitigt, nämlich nicht materiell.

Meine Damen und Herren! Diese Reform kann man wie folgt zusammenfassen: Abbau des Rechtsschutzes, Einführung einer Quasi-Gerichtsbarkeit, nach wie vor herrschende Doppelzuständigkeiten, Ausbau einer Machtfülle der Bezirkshauptmannschaften zu Lasten der Städte und Gemeinden. Mein Vorredner, dem ich zugehört habe, schlägt überhaupt die Entmündigung von mit großer Mehrheit gewählten Bürgermeistern vor! Ich frage mich, ob Sie mit diesem Programm bei den nächsten Wahlen viele Stimmen in den Gemeinden bekommen werden. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das war zumindest heute eine sehr interessante demokratiepolitische Transparenz, dass man sagt: Die Bürgermeister haben zwar viele Stimmen, aber wir müssen eine Art Kurator einführen, weil sie nicht in der Lage sind, Gemeindefinanzen zu verwalten. Das wäre ein Armutszeugnis!

Was ich bedenklich finde, ist, dass jetzt auch der Wille des Landeshauptmanns verstärkt in das Verfahren einfließt. Das ist nämlich ein Ergebnis dieser neuen Quasi-Gerichtsbarkeit: Der Wille des Landeshauptmanns fließt ein, und der Rechtsschutz wird vermindert.

Der Bund spart Beamte ein. – Das ist eines der großen Einsparungspotenziale, aber jetzt brauchen die Bezirkshauptmannschaften genau diese Beamten. Das heißt, da wird es zu keinen Einsparungen kommen, sondern nur zu einer Verschiebung von Beamten unter anderen Titeln.


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