Bundesrat Stenographisches Protokoll 682. Sitzung / Seite 89

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Ich gebe schon zu, dass ein Günstigkeitsvergleich ohne Zweifel gewisse Probleme, gewisse Auslegungsprobleme aufwirft, aber diese Auslegungsprobleme wirft die EU-Richtlinie selbst auch auf, und man begibt sich nun der Chance, zumindest in Einzelfällen doch die Anwendbarkeit österreichischen Rechts zu ermöglichen.

Es ist klar, dass die EU-Kommission Kritik an diesem Entwurf und an diesem Absatz geübt hat. Aber Österreich lässt sich auch auf anderen Gebieten nicht immer von einer derartigen Kritik im Sinne eines vorauseilenden Gehorsams beeindrucken. (Der Redner blickt zur Regierungsbank. Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer schweigt.) – Danke für die "Zustimmung". (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Das war keine! Das ist ein Missverständnis!)

Auch hinsichtlich der Auslegung des Spannungsverhältnisses zwischen dem gemeinschaftlichen Schutzniveau und dem dieses Schutzniveau umsetzenden nationalen Recht wird der EuGH wohl tätig werden müssen. Es wird da sicher Vorab-Entscheidungsverfahren geben. Treten nämlich zum Beispiel Geschäftspartner zweier Staaten der EU im Sinne dieser Richtlinie miteinander in Beziehung, dann kann es passieren, dass trotzdem keines der beiden nationalen Rechte anwendbar ist, nämlich dann, wenn beide nationalen Rechte strenger sind als das harmonisierte Schutzniveau der Richtlinie. Das heißt, dass die Rechtssicherheit in manchen Fällen von der EU offenbar nicht als schutzwürdiges Gut angesehen wird.

Unklarheiten werden des weiteren bei der Haftung der Host-Provider auftreten. Für die Host-Provider besteht keine Haftungsbefreiung, sondern eine Haftungsbeschränkung, und der Host-Provider haftet dann nicht, wenn er keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information hatte. Fraglich ist aber, wann diese tatsächliche oder aktuelle Kenntnis gegeben ist.

Der ursprüngliche Vorschlag, einen qualifizierten Hinweis auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen zu normieren, der den Provider dann verpflichtet, diesem Hinweis nachzugehen und sich Kenntnis darüber zu verschaffen, ist im Gesetz ebenfalls nicht mehr enthalten.

Damit entstehen aber große Probleme: etwa dann, wenn der Provider zwar einen Hinweis erhält, dass eine rechtswidrige Tätigkeit oder Information vorliegt, aber untätig bleibt, weil alle Rechtsexperten davon ausgehen, dass auch § 2 StGB nicht anwendbar ist, also in diesem Fall keine Begehung durch Unterlassung gegeben ist.

Ich glaube – und das sehen wir auch in der Praxis –, dass freiwillige Vereinbarungen auf diesem Gebiet sicherlich kein gleichwertiger Ersatz sein können.

Noch eine Anmerkung: Übrigens sind auch Anzeigepflichten der Provider nicht vorgesehen.

Ein weiterer wesentlicher Punkt, der im Entwurf enthalten war, liegt im Bereich der Aufsicht. Die Mitgliedstaaten sind auf Grund der Richtlinien verpflichtet, eine effiziente Aufsicht über die Diensteanbieter einzurichten und sicherzustellen, dass die Zusammenarbeit zwischen den einzurichtenden Verbindungsstellen funktioniert.

Die im Entwurf des ECG noch enthalten gewesenen Bestimmungen über die Aufsichtsstelle sowie die Zuständigkeit und die Aufsichtsmaßnahmen finden sich im vorliegenden Text ebenfalls nicht mehr. Mit der nunmehrigen Regelung ist nicht hinreichend geklärt, ob damit der Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie in einem für uns relativ wichtigen Bereich nachgekommen wird. Das ist umso bedauerlicher, als zumindest hinter vorgehaltener Hand von Justizexperten zu hören ist, man wollte dies schlicht und einfach aus Kostengründen nicht machen.

Meine Fraktion hat zu einigen kritisierten Punkten im Nationalrat einen entsprechenden Abänderungsantrag eingebracht, der im Wesentlichen auf dem von der Regierung ursprünglich vorgeschlagenen Text basiert. Bedauerlicherweise fand dieser Antrag keine Mehrheit. Somit werden wir auch hier im Bundesrat – ebenfalls mit Bedauern, weil, wie ich glaube, das E-Commerce-Gesetz ansonsten einige sehr gute Bestimmungen enthält – dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.07


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