Bundesrat Stenographisches Protokoll 682. Sitzung / Seite 104

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Insgesamt möchte ich Folgendes feststellen – und damit komme ich nun zu den Mängeln sowohl in der Vorbereitung als auch in der Formulierung des Vertrages, weil damit genau das Gegenteil dessen bewirkt wird, was notwendig ist, nämlich das Projekt Europa zu erklären und nicht anonym und undurchschaubar erscheinen zu lassen und damit Erweiterungsskeptikern, Globalisierungsgegnern sowie Extremisten und Populisten Zulauf zu verschaffen –: Es ist meiner Meinung nach die Aufgabe verantwortungsbewusster Politik, das notwendige Vertrauen zu schaffen und den mühsamen Prozess des Erklärens und Diskutierens für Europa auf allen Ebenen wahrzunehmen. Ein Europa der Bürger kann nur ein Europa der Regionen sein.

Gerade auch in dieser Hinsicht ist der in der letzten Sitzung des Bundesrates eingebrachte und heute neu eingebrachte, erweiterte Entschließungsantrag der drei Fraktionsvorsitzenden Bieringer, Professor Konecny und Professor Böhm besonders wichtig. Ich möchte aus dem letztmalig eingebrachten Antrag Punkt 2, nämlich die Forderung nach Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips, Vereinfachung der Verträge, Stärkung des demokratischen Prinzips, Verankerung der Grund- und Menschenrechte, einschließlich Informations- und Mitwirkungsrechte, besonders hervorheben.

Ganz besonders freut mich der neue Punkt 5 des gemeinsamen Entschließungsantrages, der heute eingebracht wurde, in dem es heißt, "die Bundesregierung wird ersucht, im Prozess der Vorbereitung der Regierungskonferenz der Europäischen Union weiterhin die Bundesländer in geeigneter Weise einzubinden und diesbezüglich auch die Gemeinsame Länderstellungnahme vom 23. Oktober 2001 zu berücksichtigen". – Dass dieser Punkt in dem heutigen Entschließungsantrag beinhaltet ist, zeigt auch die Wichtigkeit der Länderkammer.

Die Landeshauptleute und die Landtagspräsidenten haben in diesem Zusammenhang eine ganz klare Entschließung gefasst, in deren Präambel es heißt:

"Die Länder bekräftigen ihre Bereitschaft, als Gliedstaaten des Mitgliedstaats Österreich und als Regionen mit legislativen Kompetenzen ihren Beitrag zum Aufbau eines bürgernahen Europas zu leisten. Leitgedanken sind dabei das Subsidiaritätsprinzip, das Prinzip der Nachhaltigkeit, die Prinzipien von Transparenz und Zurechenbarkeit von Verantwortlichkeit und tatsächlicher politischer Verantwortung. ... Die Länder gehen davon aus, in alle Phasen der innerstaatlichen Meinungsbildung und der Diskussion einbezogen zu werden und an der Positionierung Österreichs mitwirken zu können."

Auch in Deutschland wird die Diskussion ähnlich geführt. So hat zum Beispiel der sozialdemokratische Ministerpräsident des großen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement, in einem Grundsatzartikel der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vor zwei Wochen unter dem Titel "Eine neue Architektur für das Haus Europa – Die Institutionen müssen von Grund auf erneuert werden" insbesondere die Stärkung der Regionen und die Stärkung der Mitwirkung des Organs der Regionen gefordert und festgestellt:

"Die Regierungskonferenz von Nizza hat endgültig klargemacht, dass Vertragsreformen nicht mehr nach dem Muster der klassischen Diplomatie erfolgen können. Sie müssen offener, politischer und damit auch besser vorbereitet werden. ... Wenn wir das offensichtliche Defizit an Akzeptanz bei den Bürgern beheben wollen, müssen wir sie an der Debatte über die Zukunft der EU beteiligen. ... Die Zukunft Europas" ist "kein Thema für juristische Hauptseminare, sondern eine eminent politische Aufgabe". Eine neue Architektur für das Haus Europa lässt sich nur gemeinsam mit den Menschen planen und errichten, die darin leben.

Das ist eine Meinung, die ich voll unterstützen kann und die auch in dem Entschließungsantrag der Fraktionsvorsitzenden zum Ausdruck kommt, den ich zu behandeln und zu beschließen bitte.

Herr Professor Konecny! Gestatten Sie mir, abschließend eine ganz kleine Bemerkung zur letzten Debatte zu machen – ohne dass ich damit jetzt eine Neutralitätsdebatte herausfordern möchte – (Bundesrat Konecny: Gerne!): Sie haben das letzte Mal einen Ausspruch von Bundeskanzler Raab auf einem Taferl präsentiert, und ich habe über das lange nachgedacht und


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