Bundesrat Stenographisches Protokoll 682. Sitzung / Seite 108

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ihrer Fähigkeit, sich dem gemeinsamen Rechtsbestand und auch dem ökonomischen Niveau der Europäischen Union anzunähern –, aber der Vertrag weist darüber nicht hinaus.

Die Europäische Union und ihre weitere Entwicklung ist nicht zufällig nicht primär in die Hände einer neuen Regierungskonferenz gelegt worden, sondern eben in etwas, was lange umstritten war, jetzt aber klar zu sein scheint, nämlich in die Hände eines Konvents – ohne bindende Beschlüsse, aber, wenn er funktioniert, mit einer hohen moralischen Kraft.

Die Debatte um die Europäische Grundrechts-Charta, die in einem Konvent geführt wurde, zusammengesetzt aus Parlamentariern und Regierungsvertretern der Mitgliedstaaten und Parlamentariern des Europäischen Parlaments, wurde auf einem Niveau geführt, das – wie ich das nur von außen beurteilen kann – sich sehr vorteilhaft von den "Viehhändler-Methoden" von Ratssitzungen unterschieden hat, und hat zu einem Ergebnis geführt, das ganz offensichtlich den Rat so erschreckt hat, dass die Verbindlichkeit, die Einklagbarkeit dieser Charta nicht zuerkannt wurde.

Irgendwie haben die Ratsmitglieder wohl schon gemeint: Das passiert uns kein zweites Mal!, und daher hat es eines langen politischen Kampfes bedurft, dass wir doch erneut zu einer Konventslösung für die Designation der Zukunftslandkarte der Europäischen Union gekommen sind. Ich möchte hier für das österreichische Parlament, aber auch für die Parlamente der anderen Mitgliedstaaten unterstreichen, dass das ein solidarischer Kampf des Europäischen Parlaments und fünfzehnmal nationaler Parlamente gewesen ist, in dem wir uns gemeinsam dafür eingesetzt haben – zum Beispiel bei der COSAC in Stockholm unter ziemlich unfreundlichen Rahmenbedingungen –, dass es nunmehr zu dieser Konventslösung kommt.

Ich verstehe, dass sich dort, wo am Ende Vertragsänderungen stehen müssen, der Rat vorbehält, das Ergebnis nicht tel quel übernehmen zu müssen, aber ich verlange auch, dass das, worauf sich dieser Konvent einigen kann, mit jenem moralischen Gewicht ausgestattet wird – und zwar durch politische Akteure, zum Beispiel durch uns –, dass sich der Rat schwer tut, es vom Tisch zu fegen und etwas anderes zu tun.

Der Entschließungsantrag, dem ich Sie bitte, zuzustimmen – und angesichts der Unterzeichner habe ich keinen Zweifel daran –, versucht, vier Dinge "festzuklopfen", wie man das so sagt:

Erstens: nochmals unser Bekenntnis zum Konventsmodell, zur Zusammenarbeit von Parlamentariern der europäischen und der mitgliedstaatlichen Ebene und Regierungsvertretern. Es ist selbstverständlich, dass wir verlangen, hiezu auch die Vertreter der Regionen und der "europäischen Sozialpartnerschaft", wenn ich das so sagen kann, also des Wirtschafts- und Sozialausschusses, einzuladen.

Zweitens: ein breites Mandat, das tatsächlich in der Lage ist, einen neuen Bauplan für das gemeinsame europäische Haus zu erstellen.

Drittens: einen Dialogprozess, wobei auch wir aufgefordert sind, daran mitzuwirken, denn so schätzenswert der Konvent ist, es ist doch erst die Rückkoppelung der nationalen und europäischen Vertreter in diesem Konvent in die öffentliche Diskussion ihrer Heimatstaaten, wodurch Ideen, wenn sie dort erarbeitet werden, materielles Gewicht erlangen. Es muss auch die Öffentlichkeit der Mitgliedstaaten dahinter stehen, und diesen Dialog gilt es, nationalstaatlich zu organisieren, und – zu guter Letzt – es gilt auch, in einem föderalistisch verfassten Land wie Österreich – und wir beziehen uns hier ausdrücklich auf die Gemeinsame Länderstellungnahme vom 23. Oktober 2001 –, die Bundesländer in diesen Diskussionsprozess entscheidend einzubinden.

Ich gebe zu, dass die Entwicklung der Europäischen Union etwas anders verläuft, als man das sonst gewohnt ist. Wenn man normalerweise einen Zug besteigt, kann man dem Fahrplan entnehmen, wann er wegfährt, wo er stehen bleibt und in welchem Ort er zu welcher Zeit ankommt. – Was den Punkt "zu welcher Zeit" betrifft, so gibt es manchmal Differenzen – nicht nur bei den Österreichischen Bundesbahnen –, aber im Wesentlichen hält er sich an die Strecke.


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