Bundesrat Stenographisches Protokoll 682. Sitzung / Seite 110

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Diese vagen Zielvorgaben müssen durch einen klaren Kompetenzkatalog ersetzt werden, der eindeutig die Kompetenzen der Europäischen Union von jenen der Mitgliedstaaten abgrenzt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der den Nationalstaaten verbliebene Bereich ihrer Souveränität muss klar umschrieben sein und darf sich nicht nur als Residualgröße im Differenzweg ergeben. Zugleich müsste das erwähnte Subsidiaritätsprinzip ernster genommen und mit Leben erfüllt werden (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es! Das muss viel stärker betont werden!)  – mit anderen Worten hätte in Zukunft die Europäische Union allein das zu normieren, was für die Funktionsfähigkeit der Europäischen Union notwendig ist oder was als grenzüberschreitende Problematik einer europaweiten einheitlichen Regelung bedarf.

Hiebei denke ich nicht zuletzt an die ja jetzt höchst aktuelle Erstellung einheitlicher Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke. Der Regelungsbedarf für diese hätte ganz anderes Gewicht als die Sicherheit von Traktorsitzen oder gar der Krümmungsradius von Gurken.

Aber zurück zu den Neuerungen des Vertrages von Nizza selbst: Anerkennung gebührt den österreichischen Verhandlungsbemühungen, bei den unvermeidlichen Strukturveränderungen die Interessen unseres Landes bestmöglich zu wahren. Das gilt vor allem – wie heute bereits erwähnt – für den erfolgreichen Kampf darum, das Einstimmigkeitsprinzip in wesentlichen Sachbereichen – insbesondere in für uns lebenswichtigen Bereichen wie der gemeinsamen Bewirtschaftung der Wasserressourcen, der Raumordnung oder der Bodennutzung – beizubehalten.

Auch in der Frage der künftigen Stimmgewichtung im Europäischen Rat ist ein akzeptables Ergebnis erreicht worden, ebenso bei der Anzahl der Mandatare im Europäischen Parlament. Wir haben bis auf Weiteres auch den Anspruch behauptet, einen Kommissar in der EU-Kommission zu stellen sowie im Europäischen Gerichtshof repräsentiert zu sein.

Dass das Ergebnis aus österreichischer Sicht nicht ungünstiger ausgefallen ist, schreibe ich nicht zuletzt auch der klaren und festen Position meiner Fraktion zu. Gewiss hat überdies dazu beigetragen, dass die Bundesregierung und die österreichische Bevölkerung geeint in der Periode der rechtswidrigen Sanktionen der EU 14 Rückgrat und Haltung bewiesen haben. Möge sich das auch im Konflikt um das Atomkraftwerk Temelín wiederholen!

Zu hoffen ist auch, dass die Brüsseler Zentralorgane künftig das Subsidiaritätsprinzip, das Gebot demokratischer Legitimität und Transparenz und die kulturelle Vielfalt Europas, insbesondere seine nationalen und regionalen Traditionen besser respektieren werden als bisher.

Die Ablehnung des Euro durch die Volksabstimmung in Dänemark und die Ablehnung des Vertrages von Nizza durch ein Volksreferendum in Irland müssen Warnsignale gegenüber möglichen Fehlentwicklungen allzu großer Bürgerferne und allzu hohen Integrationstempos bilden. Selbstbewusste Völker verweigern sich eben einem zentralistischen Bundesstaat – Stichwort: "Vereinigte Staaten von Europa"; sie neigen vielmehr dem Konzept eines "Europas der Vaterländer" zu, wie es auch uns Freiheitlichen vorschwebt.

Nicht weniger gefährlich für eine gedeihliche Weiterentwicklung der Europäischen Union wäre es, sollte über den Zwischenschritt eines "Europas der zwei Geschwindigkeiten" in Wirklichkeit das Bestreben nach einem "Direktorium" Frankreichs, Deutschlands und gegebenenfalls auch Großbritanniens weiterverfolgt werden. Gegen solche Tendenzen hat sich Österreich auch jüngst wieder mit Nachdruck verwahrt; heißt es doch in dem auch vom Nationalrat am 21. November auf Grund eines Drei-Parteien-Antrages beschlossenen Entschließungsantrages zutreffend: "Die europäische Einigung kann nur so stark sein, wie sie von den Bürgern Europas getragen ist."

Lassen Sie mich daher das Resümee ziehen, sehr verehrte Damen und Herren! Der Vertrag von Nizza war für all jene eine Enttäuschung, die sich von und mit ihm eine zukunftsweisende und in sich stimmige Neuordnung der Europäischen Union erhofft hatten. Er hat aber zumindest die unerlässlichen institutionellen Vorkehrungen getroffen, um die EU-Erweiterung – also die Aufnahme weiterer Beitrittskandidaten – zu ermöglichen.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite