Bundesrat Stenographisches Protokoll 682. Sitzung / Seite 111

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Da meine Fraktion diesen Prozess im Ergebnis bejaht – freilich keineswegs "ohne Wenn und Aber", also ohne ausreichende Beitrittsvorbereitungen –, wird sie der Ratifikation dieses Vertrages ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster ist Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.36

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Auf Grund eines Handicaps – ich bin nicht gut bei Stimme – werde ich mich kurz fassen.

Professor Konecny hat gemeint, wir befänden uns nun mit der Ratifizierung des Vertrages von Nizza in der vorletzten Station. – Herr Konecny muss ein grenzenloser Optimist sein! Ich denke, wir befinden uns vielleicht eine halbe Station oder eine Station weiter in Richtung eines Zusammenwachsens in Europa, in Richtung einer Vertiefung in Europa. Die Debatten in Österreich über Veto oder kein Veto zeigen, wie tief hier noch – nach wie vor! – die Gräben zwischen Nachbarländern sind. In der vorletzten Station befinden wir uns also bei weitem nicht.

Der Weg nach Europa auch in den Herzen und im Bewusstsein – also nicht nur formal in den Unterschriften – wird noch ein langer werden, so denke ich. Die ersten Wochen des Jahres 2002 werden die Österreicher ein großes Stück in Europa weiterbringen, wenn nämlich der Euro als Währung real sein wird; bisher ist er für die Bevölkerung nur ein philosophischer Begriff.

Nun zur Bedeutung dieses Vertrages von Nizza: Ich bin zumindest froh darüber, dass der Bundesrat stolz darauf sein kann, diesen Vertrag im Zuge einer Enquete vertieft zu haben. Der Nationalrat hat diesen ganzen Prozess eher in den Abendstunden und auf relativ kurzem Wege erledigt.

Als seinerzeit der Kanzler aus Nizza zurückgekommen ist, hat er – und auch die Frau Außenministerin – versprochen, welch enormen Post-Nizza-Informations- und Diskussionsprozess wir in Österreich erleben würden. – Viel ist davon nicht übrig geblieben. Die Behandlung des Vertrages von Nizza und der Geist, der eigentlich in Nizza entstehen hätte sollen, hatten vielleicht jenes Handicap zu tragen, das in seiner Werdung begründet ist, nämlich einem nationalen Basar ähnlich zu sein, der wohl eines der beschämendsten Kapitel in der Geschichte der EU ist. Was da in Nizza stattgefunden hat, war, dass man Hauptstadtrechte gegen Stimmrechte, Fischrechte gegen andere Fragen der Mitbestimmung getauscht hat.

Viele Fragen wurden in Nizza angerissen, wenige Lösungen gefunden. Die Institutionenreform ist in meinen Augen und in den Augen vieler politischer Bewerter überhaupt nicht gelungen. Manche Dinge wurden mangelhaft umgesetzt. Vom "großen Wurf" kann bitte beim Vertrag von Nizza nicht die Rede sein! Das, was wahrscheinlich das bedeutendste Ergebnis ist, ist, dass eine Regierungskonferenz, so wie sie in Nizza stattgefunden hat, kaum mehr in Europa stattfinden wird.

Man kann eine Verfassung nicht von oben nach unten diktieren. Verfassungsprozesse verlaufen immer von unten nach oben. Dass sich die Präsidenten und Kanzler zusammensetzen und der europäischen Bevölkerung eine Verfassung von oben nach unten geben, solche Wege gehören längst der Vergangenheit an und muten fast wie halbaristokratische Formen an.

Der "große Wurf" ist es also nicht: Die EU ist weder bürgernäher noch transparenter noch demokratischer geworden. Allerdings – und das halte ich für positiv, deshalb kann man dieser Ratifizierung auch zustimmen – ist in der EU das Bewusstsein gereift, dass das, was in Nizza passiert ist, nie wieder geschehen darf. Es kommt nun zu einem Konvent, zu einem echten Verfassungsprozess, der eben nicht von oben aufgesetzt wird, sondern auf einer breiten Beteili


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