Bundesrat Stenographisches Protokoll 682. Sitzung / Seite 115

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Nun zu einigen Argumenten – damit wir den Freiheitlichen, wie es bei uns daheim heißt, "ein bisschen auf die Hinterfüß’ helfen können" –, warum die Erweiterung so notwendig und wichtig für Österreich ist. Das große Problem der Landwirtschaft – das ist vorher von Kollegen Gruber schon angerissen worden –, das große Problem des Transits – Ost-West-, Nord-Süd-Achse – kann nur – und da müssen Sie uns Tirolern bitte Verständnis entgegenbringen! – europäisch gelöst werden. Gleiches gilt für die großen Probleme der Kriminalität, der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. All das kann nur europäisch gelöst werden, ganz zu schweigen vom letzten, vom jüngsten, vom neuesten Kapitel: der Energiepolitik.

Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, kennen diese Argumente, die für Österreich und Europa so wichtig sind, und daher ist Ihre Veto-Linie, Ihre populistische Art, Politik zu betreiben, schändlich und kontraproduktiv für Österreich!

"Österreich ist Gewinner der Erweiterung", stand am 20. Juni in einem großen österreichischen Magazin zu lesen. – Laut einer Studie wird die heimische Konjunktur durch weitere EU-Beitritte am stärksten wachsen. Innerhalb der EU werden die Nettozahler-Länder, allen voran Österreich, gefolgt von Italien und Deutschland, von der EU-Erweiterung am meisten profitieren.

Das – zugegeben subjektive – Gefühl lässt sich in mir nicht unterdrücken, dass den Beitrittskandidaten einmal mehr von den Freiheitlichen jeder Prügel in den Weg geschmissen wird, der sich finden lässt. Der Umgang mit dem Umweltminister passt ins Bild, ganz zu schweigen von den Vorgängen um Temelin in den letzten Tagen: Bundesminister Molterer hatte den Mut auszusprechen, dass die Abschaltung von Temelin ein schöner, aber wahrscheinlich nicht zu realisierender Traum ist. Was fällt den freiheitlichen Regierungspartnern dazu ein? – Es wird auf Herrn Bundesminister Molterer "eingehackt", wie die Geier auf das Aas einhacken!

Die Konsequenz dieses FPÖ-Schlitterkurses zeichnet sich bereits ab: Österreich gilt in der EU, ohne die heute in kaum einem wirtschaftspolitischen Feld etwas läuft, als ein Synonym für Zaudern und Jammern.

Für mich noch unverständlicher ist, dass die so genannte "Kleine-Leute-Partei" – also die Freiheitlichen, deren Reihen hier etwas gelichtet sind – nicht akzeptieren will, dass die Exporte in die Beitrittskandidatenländer um 100 Prozent gestiegen sind und dadurch sehr viele neue Jobs geschaffen werden konnten. Das gemeinsame Ziel der beteiligten Länder – hüben und drüben natürlich – liegt auf der Hand: Alle wollen von der Erweiterung profitieren.

Bei allem Optimismus darf man freilich den Blick auf die Realität nicht verlieren. Einschnitte in manchen Wirtschaftssektoren werden zweifellos nicht zu vermeiden sein; die gesamtwirtschaftliche Entwicklung allerdings wird letztendlich den Befürwortern der Erweiterung Recht geben.

Angesichts der Einzigartigkeit dieser Chance ist es umso enttäuschender, dass im Vorfeld dieses Schrittes regionale und lokale Politiker – meistens freiheitliche – politisches Kleingeld im Zusammenhang mit der Erweiterung wechseln wollen. Es ist nicht verständlich, warum die Freiheitlichen so agieren. Während man in der heutigen EU bereits auf eine Rezession gefasst ist und nur noch über ihre möglichen Ausmaße diskutiert, haben wir mit den künftigen Mitgliedsländern einen echten Wachstumsmarkt vor der Haustür. Die Volkswirtschaften unserer Nachbarländer wachsen moderat, aber stetig. Je stärker sich unsere Unternehmen in diesem Zukunftsmarkt engagieren, desto mehr wird für Österreich von der EU der Zukunft profitieren können – mit den entsprechenden positiven Folgen für den Arbeitsmarkt und den Wohlstand.

Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendein Mitgliedstaat zum Zeitpunkt des österreichischen Beitrittes ein lautes Veto eingebracht hat. Das, was wir für uns in Anspruch genommen haben, sehr geehrte Damen und Herren speziell der freiheitlichen Fraktion, sollten wir im Umgang mit unseren Nachbarn und künftigen Mitgliedern der Europäischen Union ebenso einbringen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.59

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich werde jetzt die Sitzung bis 16 Uhr unterbrechen.


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