Bundesrat Stenographisches Protokoll 682. Sitzung / Seite 153

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Tage und Stunden, die er hier im Bundesrat verbracht hat, meiner Ansicht nach mittlerweile politisch gesehen den Titel, das universellste Mitglied der Bundesregierung zu sein, durchaus erworben. Ich finde das beeindruckend, muss ich sagen.

Herr Kollege Professor Böhm! Ich kann mich erinnern, als die FPÖ in der Opposition war – die Grünen waren es ja immer, jetzt ist auch die SPÖ in der Opposition –, gab es auch Anfragen der FPÖ, die absolut kein Heuler waren (Beifall bei der SPÖ), die gemacht wurden, um Platzhalter zu sein. (Bundesrat Bieringer: Da waren Sie ja gar noch nicht da! Haben Sie das nachgelesen? – Bundesrat Gasteiger: Das spricht sich herum!) Ich habe gerade vom Nationalrat gesprochen. Ich kann aber auch nachlesen, welche Anfragen es hier gegeben hat, das ist kein Problem.

Diese Anfrage, Herr Professor Böhm, hat allerdings schon ihre Berechtigung. Immerhin tagt morgen früh der Hauptausschuss, und es besteht praktisch morgen und am Montag die letzte Chance, dass sich die Länderkammer zu einem Prozess äußert, den die Bundesländer Niederösterreich, Wien, Oberösterreich, Salzburg als elementar bezeichnen und in dessen Rahmen Landeshauptleute – heute hat sich Herr Landeshauptmann Pröll leider vor jeglicher Antwort gedrückt – mit der Vetodrohung durch das Land gelaufen sind, und zwar vor Herrn Bundeskanzler Schüssel. Insofern ist diese Anfrage, diese dringliche Behandlung eines Themas nicht einmal 24 Stunden vor einer wirklich entscheidenden Sitzung durchaus berechtigt.

Ich hätte vielleicht nicht die Verunsicherung, sondern mehr vom Problem einer enormen Desinformation gegenüber der Bevölkerung in den Vordergrund gestellt. Ich bin nicht einmal so sicher, ob die Bevölkerung so verunsichert ist oder ob sie diese Desinformationskampagnen nicht ohnedies durchschaut.

Lassen Sie mich aber noch etwas Grundsätzliches sagen: Jahrhundertelang waren wir, die Österreicher, die Tschechen und die Ungarn ein Staat und nur 80 Jahre – wie kurz das in der Geschichte ist – nicht. Wir führen eine Diskussion – als Tiroler kann ich es mir leisten, das sogar biblisch auszudrücken – gegenüber unseren Brüdern und Schwestern, nämlich den Tschechen, die einfach abenteuerlich ist. Ich sage das hier durchaus auch selbstkritisch, meine Damen und Herren: Alle Parteien haben in dieser Diskussion Fehler gemacht. Auch wir, auch die Opposition hat in dieser Diskussion Fehler gemacht. Aber im Vergleich zu dem, was die Regierung in den letzten Wochen und Monaten geboten hat, ist ein Flohzirkus eine geordnete Truppe. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Herr Professor Böhm! Sie sagen, der Opposition werde es nicht gelingen, einen Keil zwischen die Koalitionsparteien zu treiben. Sie haben völlig Recht, die Keiltreiber sitzen innerhalb der Regierungsparteien. Die Opposition kann hier ganz gemütlich zuschauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wir haben in dieser ganzen Debatte doch eines mit zu berücksichtigen – auch das sei hier kritisch anhand einer oppositionellen Anfrage gesagt –: Temelin existiert nicht seit einer Woche, seit einem Monat, seit einem Jahr. Die Chance, Temelin nicht ans Netz gehen zu lassen, ist sicher eine Geschichte von zehn Jahren. Ich erinnere daran, wie wir seinerzeit massiv gefordert haben, dass es zu keinen EBRD-Krediten kommt. Das war nämlich die Voraussetzung für die Fertigstellung und vor allem auch dafür, dass es gelingt, diesen noch nie erprobten und in Temelin erstmals versuchten Mix aus Osttechnologie und Westtechnologie – und das am Beispiel einer hochgefährlichen Technologie – zu versuchen. Das ist sicherlich durch die EBRD-Kredite zum ersten Mal passiert, und das ist schon eine Geschichte von zehn Jahren.

Herr Kollege Lindinger! Sie haben heute in der ersten Runde unserer Föderalismusdebatte die Absurdität des Abkaufens von Temelin erwähnt. Ich glaube, dass das der einzige Weg gewesen wäre. Wir hatten zehn Jahre Zeit. Wir hätten zehn Jahre lang das AKW Temelin Tschechien abkaufen können, wir hätten es umrüsten können, wir hätten daraus mit einem Nachbarland, mit dem uns doch so viel verbindet, ein interessantes energiewirtschaftliches Projekt machen können.


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