Bundesrat Stenographisches Protokoll 682. Sitzung / Seite 163

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Wenn wir diesen Vertrag von Nizza lesen, würde Professor Raschauer heute wahrscheinlich nicht mehr von einer Balance, sondern vom Übergewicht der integrationsorientierten Sichtweise sprechen. Die Balance ist verloren gegangen.

Wenn wir den Bericht des Verfassungsausschusses zu diesem Thema etwas genauer lesen, erkennen wir auch, dass die Regierungskonferenz in der Zeit von 7. bis 11. Dezember 2000 nach nur zehn Monaten sehr intensiver Beratungen politisch abgeschlossen wurde. Aber es mussten schon am 26. Februar dieses Jahres die technischen und sprachlichen Überarbeitungen beschlossen werden.

Weiter hinten steht dann, dass dieser Vertrag inkonsistent ist; zumindest gilt dies in weiten Bereichen. Meine Abneigung gegen diesen Vertrag, die ich hier schon vor einigen Wochen angedeutet habe, ist durchaus – zumindest für mich – verständlich. Ich werde ihm aber zustimmen, weil sich das eben so gehört.

Der Vertrag hat auch manche Gutpunkte; das ist unbestritten. Es ist bereits beschlossen worden, wie groß die Kommission zukünftig sein soll, wenn die anderen Staaten dabei sein werden. Es wurde auch die Stimmengewichtung des Rates bei einer zukünftigen Erweiterung festgelegt. Dazu möchte ich – nur als Idee – Folgendes anbringen; vielleicht wurde es in dieser Form noch nicht gesagt:

Vor wenigen Tagen hat mich ein ausländischer Botschafter aus einem möglichen zukünftigen Mitgliedstaat der EU angesprochen und gefragt: Warum können wir nicht Mitglieder der EU werden? – Ich habe mir das überlegt und mir dann gedacht: Ja, warum können sie nicht Mitglieder der EU werden – nämlich so, wie man es oft in einem Verein macht: Mitglied ohne Stimmrecht zu sein; über einen Sitz zu verfügen, ohne ein Stimmrecht zu haben. Es wäre eine Überlegung, mit der ich mich durchaus abfinden könnte, dass diese Staaten später nach und nach, je nach deren Entwicklung und rechtstechnischem Vermögen, in die Europäische Union hineinwachsen können. Denn für mich ist es eine Arroganz, dass sich die Europäische Union als "Europa" bezeichnet und die anderen Staaten eigentlich nicht mehr unter "Europa" fallen; vielleicht reicht es gerade noch dazu, geographisch zur Kenntnis zu nehmen, dass auch dort Europa ist. Daher würde ich mir vorstellen können, dass man es so macht.

Es gibt für mich aber drei Ausnahmestaaten, für die ich das nicht gelten lassen kann; schade, dass Kollege Schennach jetzt nicht da ist. Es sind dies die drei Staaten Slowakei, Tschechien und Slowenien, welche die moralisch wirklich nicht vertretbaren Beneš-Dekrete beziehungsweise AVNOJ-Bestimmungen noch immer in ihrem Gesetzes- und Verfassungsstandard haben. Das ist Europa-unreif! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es hat heute Nachmittag hier in einem Ausschuss eine Besprechung mit ungarischen Diplomaten stattgefunden, wobei die Ungarn festgestellt haben: Für sie sind die Beneš-Dekrete ebenfalls nicht tragbar, und auch sie möchten von Tschechien, von der Slowakei die Gutmachungen, die Entschuldigungen haben, welche sich die Österreicher, die deutschen Österreicher erwarten und die uns auch rechtens zustehen. Wir Österreicher haben, bei Gott!, unsere Pflicht gegenüber denjenigen getan, die durch Handlungen unserer Väter und Großväter unrichtig behandelt worden sind.

Es gibt zu diesem Vertrag viele Punkte, die ich hervorheben könnte. Einer besteht zum Beispiel darin, dass Präsident Prodi – wahrlich nicht die große Leuchte der Europäischen Kommission (Bundesrat Gasteiger: He!)  – etwas fordert, was auch in der heutigen "Frankfurter" nachzulesen ist (Bundesrat Gasteiger: Das ist aber ein scharfes Urteil!): weitere "Souveränität abgeben". "Der im März 2002 für ein Jahr tagende so genannte Konvent zur Vorbereitung für die 2004 geplante Reform des Vertrages von Nizza habe die Aufgabe, überzeugende Leitlinien zu erarbeiten, dass das erweiterte Europa seine politische, wirtschaftliche und soziale Integration fortsetzen kann. ‚Wir jagen von einer Konferenz zur nächsten. Man hat die eine noch nicht einmal richtig verdaut, wird schon der Termin für die nächste Konferenz festgelegt.’ Das eigentliche Ziel der geplanten Reform besteht darin, die so genannten Gemeinschaftsmethoden zu sichern. Dazu zählt die Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen."


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