Bundesrat Stenographisches Protokoll 684. Sitzung / Seite 10

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Ich meine, dass hervorzuheben ist, dass der Landtag von Oberösterreich eine Frau an die erste Stelle der oberösterreichischen Bundesräte gereiht und damit in der Länderkammer – so, wie das auch bei uns im oberösterreichischen Landtag ist – eine Frau zum Vorsitz berufen hat. Das hat auch in einer Zeit, in welcher der Frauenanteil in den Parlamenten weltweit zunimmt, immer noch auch Symbolcharakter. Ich sage betont "auch Symbolcharakter", weil ich es natürlich nicht nur darauf eingeschränkt wissen möchte.

Ich möchte die Gelegenheit nützen, aufzuzeigen, dass gerade der österreichische Bundesrat in diesem Zusammenhang weltweit eine pionierhafte Rolle gespielt hat: Es war 1927 – Sie finden das im Internet auf der Homepage des Parlaments –, als eine steiermärkische Abgeordnete von der Christlichsozialen Partei – es war Bundesrätin Olga Rudel-Zeynek – den Vorsitz im Bundesrat übernahm. Sie war damit nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa und darüber hinaus weltweit die erste Frau, die das Amt einer Parlamentspräsidentin bekleidete. Sie übte diese Funktion dann ein zweites Mal 1932 aus, blieb aber bis zum Zweiten Weltkrieg weltweit die einzige Frau in einer solchen Funktion.

Nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte es bis in die fünfziger Jahre, bis das eine Fortsetzung fand, und zwar 1950 in Dänemark und dann 1963 in Uruguay gab es jeweils eine Frau als Präsidentin einer parlamentarischen Kammer. Erst ab den siebziger Jahren nahm die Zahl der Frauen, die den Vorsitz in parlamentarischen Organen führten, zu.

Im österreichischen Bundesrat waren es einige wenige; es sind wirklich so wenige, dass ich sie hier aufzählen kann: Es war 1953 Dr. Johanna Bayer aus der Steiermark von der ÖVP, dann am Beginn der sechziger Jahre war es dreimal die Kärntnerin Helene Tschitschko von der SPÖ, 1987 war es wiederum eine Kärntnerin, nämlich Dr. Helga Hieden-Sommer von der SPÖ, und dann war es dreimal – das ist für uns besonders erwähnenswert – unsere geschätzte Kollegin Anna Elisabeth Haselbach, die ja auch in der laufenden Funktionsperiode als Vizepräsidentin unserem Präsidium im Bundesrat angehört. Es ist das erste Mal in der Geschichte – das ist wirklich ein Novum in diesem Haus, und das möchte ich hier besonders anmerken –, dass der Bundesrat somit nicht nur eine Präsidentin, sondern gleichzeitig auch eine Vizepräsidentin hat.

Der Anteil von Frauen unter den Mitgliedern der nationalen Parlamente liegt nicht nur in Österreich, sondern weltweit, selbst in den diesbezüglich fortschrittlichen skandinavischen Ländern, immer noch deutlich unter dem jeweiligen Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung. Der österreichische Bundesrat hat aber auch in dieser Hinsicht lange Zeit eine Vorreiterrolle gespielt: Der Frauenanteil unter den Mitgliedern des Bundesrates ist – abgesehen von den ersten zehn Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg – viele Jahrzehnte hindurch im Durchschnitt deutlich höher gelegen als im Nationalrat. 1975 erreichten wir in dieser Kammer erstmals 20 Prozent; das war zu einer Zeit, als es im Nationalrat erst 7,7 Prozent waren. Derzeit sind wir – durch den heutigen Zuwachs einer neuen Kollegin – 16 Frauen von insgesamt 64 Bundesräten, und das ist immerhin ein Viertel.

Ich glaube zwar nicht, dass es möglich ist, ein Parlament seiner Sozialstruktur nach so zusammenzusetzen, dass es spiegelbildlich auch genau der Sozialstruktur der Bevölkerung entspricht. Dem Frauenanteil kommt aber, wie ich ja schon betont habe, nicht nur eine symbolhafte Bedeutung zu. Ich bin davon überzeugt, dass die Ausübung wichtiger parlamentarischer Funktionen durch Frauen unverzichtbar ist. Frauen sind intensiv in alle Lebensvollzüge einbezogen – ich behaupte sogar: teilweise mehr als Männer, obwohl mir natürlich bewusst ist, dass es in manchen Bereichen umgekehrt ist. Ich denke daher, dass Frauen mit sehr hoher Sensibilität das Gemeinwohl der gesamten Bevölkerung vertreten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte an diesen letzten Gedanken, in dem ich das so genannte Gemeinwohl der Bürger angesprochen habe, anknüpfen und auch dazu einige Überlegungen anmerken.

Es ist unsere Aufgabe, für die gesetzlichen Grundlagen für das Gemeinwohl, für das Wohl der Bürger in unserem Staat zu sorgen. Wir müssen dabei die unterschiedlichsten Erwartungen und


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