Wir sollten uns vielmehr an die Spitze der europäischen Bestrebungen für mehr Föderalismus in Europa setzen. Unser Land hat Modellcharakter, und wir haben Erfahrung in Sachen Föderalismus. Diese sollten wir gerade auch in der Vorbereitung der EU-Regierungskonferenz 2004 entsprechend einbringen.
Meine Damen und Herren! Dass der Föderalismus in Europa zu immer mehr Ansehen kommt, hängt mit der Entwicklung zusammen, die die Welt in den letzten Jahren genommen hat. Die neunziger Jahre werden als eine Zeit des besonderen Globalisierungsschubes in die Geschichte eingehen. Das Leben der Menschen wird heute mehr denn je von internationalen Vernetzungen geprägt. Und gerade in diesen Jahren der zunehmenden Globalisierung, in denen von jedem von uns mehr Weltoffenheit gefordert wird, wird gleichzeitig ein anderes Bedürfnis der Menschen spürbar – der Wunsch nach Verwurzelung, nach Heimat und nach Identität.
Der Herausgeber von "Die Zeit", Theo Sommer, hat das einmal so formuliert: Wir wissen heute, dass wir global denken müssen, wir wissen aber auch, dass wir lokal fühlen wollen.
Das Bedürfnis nach Verwurzelung als Gegenprogramm zur Globalisierung bedeutet aber auch, dass das Interesse der Menschen für ihren engeren Lebensbereich, für ihre Region wieder steigt und dass möglichst viele Entscheidungen auf regionaler Ebene anzusiedeln sind.
Erst im Herbst des letzten Jahres hat eine Studie der Linzer Johannes Kepler Universität ergeben, dass in vielen Bereichen des politischen Lebens die Kompetenzen des Bundes dermaßen dominant sind, dass von einem echten Föderalismus und einer föderalen Aufgabenteilung nach dem Subsidiaritätsprinzip kaum die Rede sein kann. – So wörtlich die Experten.
Ich nehme in diesem Zusammenhang auch zur Funktion des Bundesrates, der für mich zu einer echten, starken Länderkammer weiterzuentwickeln ist, gerne Stellung, denn ich glaube, dass in Zeiten der Globalisierung und des Zentralismus der Bundesrat nicht aufgelöst, sondern zu einer echten und starken Länderkammer aufgewertet werden soll. (Allgemeiner Beifall.)
Diese Aufwertung könnte aus meiner Sicht folgende Punkte beinhalten:
erstens: die Weiterentwicklung des Bundesrates von einer zweiten Kammer des Bundesparlaments zu einer echten Länderkammer;
zweitens: Der Bundesrat mit den von den Landtagen entsandten Mitgliedern soll mit der Konferenz der Landeshauptleute und der Landtagspräsidenten unter Wahrung der Größenparität der Bundesländer verzahnt und vernetzt werden;
drittens: Die Länderkammer Bundesrat soll in jenen Bereichen, in denen Länderinteressen im Vordergrund stehen, in ihrer Kompetenz aufgewertet werden und dafür andere Kompetenzen dem Bundesparlament überlassen.
Es ist, um nur ein Beispiel zu nennen, aus meiner Sicht nicht die Aufgabe der Länderkammer, jedem internationalen Vertrag die Zustimmung zu geben. Dort aber, wo wirklich Auswirkungen auf die Länder gegeben sind, sollte das aufschiebende Veto in ein echtes Einspruchsrecht umgewandelt werden.
Darüber hinaus wäre es wichtig, dem Bundesrat ein Mitwirkungsrecht in Budgetfragen einzuräumen, denn viele budgetäre Entscheidungen bleiben mittel- oder langfristig nicht ohne Auswirkungen auf die Bundesländer.
Viertens: Die Neugestaltung des Bundesrates, ähnlich der deutschen Länderkammer, könnte daher ein beachtlicher Schritt in Richtung eines gestärkten Föderalismus und eines sinnvollen Föderalismus in unserer Republik sein.
Ich betone auch, dass es bei diesem Vorschlag nicht darum geht, "Kantönligeist" in die österreichische Politik hineinzutragen oder gar den Bundesrat zu einer Verhinderungsmaschine
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