Bundesrat Stenographisches Protokoll 685. Sitzung / Seite 99

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einem gesamtgesellschaftlichen politischen Klima passiert, in dem vorausgesetzt ist, dass wir alle wissen und auch zur Kenntnis nehmen, dass die Armut und der Mangel an Demokratie in vielen Teilen der Entwicklungshilfeländer keine selbst verschuldete Armut ist, und zwar deshalb, weil es Teil der neuen Formen von Kolonialismus ist und weil es auch zeitgenössische Ausbeutung des gesichtslosen Gesellschaftsfeindes Kapital ist. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Dr. Nittmann. )

Ich denke, wenn in Österreich diese Übereinstimmung herrscht, dann wird es auch, so hoffe ich, für die Zukunft die Übereinstimmung geben, dass Entwicklungshilfe nicht Benefiz im klassischen Sinne ist, sondern dass Entwicklungshilfe ein wesentlicher Teil, wie die Frau Außenministerin vorhin auch erwähnt hat – der Friedenssicherung ist. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich erspare es Ihnen – Sie kennen sie –, die Fakten, die krassen Gegensätze aufzulisten. Nur ein kleines Beispiel: Es ist unerträglich – ich denke, es muss uns allen unerträglich sein –, dass auf dieser Welt drei Milliardäre mehr besitzen und verdienen, als 48 Entwicklungsländer der Welt zusammen an jährlichem Einkommen haben. (Beifall bei der SPÖ.) Ich denke, es geht in der internationalen Politik bei der Bekämpfung der Armut nicht um Feindbilder – Milliardäre –, sondern es geht um einen demokratischen, gerechten Ausgleich zwischen einigen, die zu viel haben, und anderen, die nicht existieren können.

Die zweite Perversion, auch auf politischer Ebene – wir kennen sie alle –: Österreich und auch Europa leben trotz zunehmender Armut in einem satten Wohlstand. Millionen Menschen in den Entwicklungsländern sterben an Hunger, und in den reichen Staaten sterben Millionen Menschen an Folgen des Wohlstands, an Überernährung. Im eigenen Interesse und im Interesse einer effizienten Friedenssicherung sind wir aufgefordert – auch zum Selbstschutz, nicht nur Benefiz ist angesagt –, die Entwicklungshilfe auszubauen und effizient zu machen.

Frau Außenministerin! Sie werden verstehen können, dass die sozialdemokratische Fraktion und auch ich ganz persönlich kein Verständnis dafür haben – es stimmt, es ist ein Faktum, Österreich war nie Spitzenreiter mit seinem Budget im Bereich der Entwicklungshilfe; das war so, wir waren im mittleren oder unteren Feld zu finden –, dass der Budgetanteil für die Entwicklungshilfe von 0,26 Prozent mittlerweile auf 0,19 Prozent gesunken ist. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. ) Das ist eine Tatsache, Frau Außenministerin! Ich kann mich nur an Budgetzahlen, Fakten und Prozenten und nicht an irgendwelchen Aussendungen orientieren. Sie werden es mir widerlegen, wenn es nicht stimmt. Wenn Sie ein Mehr an Mitteln für die Entwicklungshilfe bereitstellen, obwohl das in den Budgets nicht verankert ist, dann sage ich Ihnen nicht danke schön dafür, sondern ich gratuliere Ihnen dazu. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Kritikpunkt – ich habe mir auch die Debatte im Nationalrat zum Teil angehört und auch nachgelesen – ist die vertane Chance, klare Entscheidungs-, Kooperations- und Koordinationsstrukturen aufzubauen. Da kommt der Einwand: Es gibt ja den Beirat. – Ich werde Ihnen sagen, was mit den Entscheidungen des Beirates passieren kann.

Wir Sozialdemokraten hätten uns gewünscht, dass die Frau Außenministerin die Chance nützt und eine starke Koordinations- und Kooperationsstelle schafft – auch mit klaren Kompetenzen. Dass nämlich drei Stellen zuständig sind, etwa im Bereich der Katastrophenhilfe, das leuchtet jedem ein, dass das nicht sehr effizient sein und schnell gehen kann. Wir hätten Ihnen ad personam im Sinne der besseren Koordination und Kooperation gerne mehr Kompetenzen und Entscheidungsrecht zugestanden.

Warum sage ich das? – Der geschaffene Beirat wird wahrscheinlich zu 99,9 Prozent funktionieren und auch in Ordnung sein, wenn das entsprechende politische Klima gegeben ist. Aber ich muss Ihnen berichten – das ist keine Unterstellung, sondern beruht auf Fakten; es gibt Anträge im Kärntner Landtag, es gibt Beschlüsse und Gegenbeschlüsse –, dass der Entwicklungshilfe-Beirat im Land Kärnten, der seit vielen Jahren gute Arbeit leistet – zugegebenermaßen mit wenig Mitteln, im Schnitt 1 bis 1,5 Millionen; die zahlreichen Anträge wurden von Expertinnen und


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