Bundesrat Stenographisches Protokoll 686. Sitzung / Seite 38

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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Schlaffer. – Bitte.

10.36

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vorweg eine Bemerkung an meinen Vorredner: Herr Ing. Gruber! Ich möchte Ihnen nur sagen, ich trage mit Stolz die in Ihren Augen unnötige Plakette (Beifall bei der SPÖ), weil für mich der Sozialstaat Österreich ein Teil meiner österreichischen Identität und des österreichischen Lebensgefühls ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Aber nun zu meinem Beitrag. Von Martin Luther stammt der Satz: Das Gesetz ist nichts anderes als ein Spiegel. Und wie schon bei so vielen anderen Gesetzen in den letzten beiden Jahren spiegeln sich auch im vorliegenden Vereinsgesetz die Absichten und Haltungen der blau-schwarzen Bundesregierung wider, die Absicht, unter dem Deckmantel einer angeblichen Liberalisierung, Kostenreduzierung und Effizienzsteigerung ein jahrelang erfolgreiches System zu zerstören, wobei auch nicht davor zurückgeschreckt wird, das in Österreich hervorragend funktionierende und bewährte Vereinswesen nachhaltig zu gefährden.

Ohne zwingende Notwendigkeit und ohne dass es von den Betroffenen selbst gefordert wurde, wurde ein Gesetz geschaffen, das am Tag seines Inkrafttretens Anlass für einen Trauertag geben muss und nicht, wie es Nationalrat Paul Kiss gesagt hat, für einen Jubeltag.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube mit Recht davon ausgehen zu können, dass zumindest ein Großteil von Ihnen nicht nur Mitglied in mehreren Vereinen ist, sondern so wie auch ich in den verschiedensten Funktionen tätig ist – eine Tatsache, die gerade im ländlichen Raum unumgänglich ist. Großteils wird es sich bei diesen Vereinen auch um solche handeln, die seit längerem bestehen und daher auch nicht auf die durch dieses Gesetz geschaffene Möglichkeit der vereinfachten Vereinsgründung angewiesen sind.

Vielleicht waren auch Sie so wie ich in den letzten Monaten aktiv an Vereinsgründungen beteiligt. Sie haben dann vielleicht die gleichen Erfahrungen gemacht, nämlich dass es schon bei den bisherigen Bestimmungen nicht allzu schwierig war, einen Verein zu gründen, und man dabei auch nicht allzu große Barrieren überwinden musste. Ich zumindest hatte nicht das Gefühl, dass ein Reformbedürfnis gegeben wäre.

Hingegen stehen aber die nun geschaffenen Erleichterungen in keiner vertretbaren Relation zu den gleichzeitig geschaffenen Problemen, die gekennzeichnet sind von Überreglementierung, Bürokratisierung und verschärfter Kontrolle.

Schon jetzt haben viele, vor allem kleine Vereine Schwierigkeiten, Funktionen zu besetzen. Die neuen komplexen und aufwändigen Rechnungsvorschriften sowie die verschärfte Haftung von Vereinsorganen werden das künftig aber noch viel schwieriger machen. Es darf wohl mit Recht angenommen werden, dass sich künftig viele Vereine, die schon jetzt mit personellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, auflösen werden. Es wird dies zu einer weiteren Aushöhlung des ländlichen Raumes führen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Ich frage mich, ob das von Ihrer Partei beabsichtigt sein kann, wo doch gerade Ihr Parteikollege Klubobmann Khol noch vor kurzem mit Vorliebe über eine Bürgergesellschaft philosophiert hat. Derselbe Dr. Khol wird sich wahrscheinlich nicht erwartet haben, auf seinem Marsch durch die Wüste Gobi viele ehemalige Vereinsfunktionäre zu treffen. (Bundesrat Manfred Gruber: Die wird er in Zukunft treffen! Die sind alle unterwegs! – Ruf bei der ÖVP: Oder Gusenbauer in Moskau!)

Vielleicht hat Herr Dr. Khol aber auch nur vergessen, was er noch vor fünf Jahren über das noch gültige Vereinsgesetz gesagt hat: "Dieses Vereinsrecht ermöglicht rasche Vereinsgründungen – ohne viel Formalitäten, durch initiative Bürger: Man braucht dazu weder einen Rechts


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