den Rechtsanwalt wird auch der erkennende Richter nicht aus seiner Mitverantwortung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Entscheidungsgrundlagen entlassen. Das wird daran deutlich, dass das Gericht die Parteien nicht erst im Urteil und in seiner tragenden Begründung mit seiner ihnen im vorangegangenen Verfahren nicht erkennbaren Rechtsansicht überraschen darf. Dieses Verbot, das schon bisheriger Praxis entsprochen hat, ist nunmehr im Gesetz festgeschrieben. Es trägt zur Fairness des Verfahrens und zum Prozessziel einer möglichst richtigen Entscheidung ganz erheblich bei. Zum anderen entfallen zwar sowohl die so genannte erste Tagsatzung als Vortermin, also auch das Erfordernis der Fassung eines so genannten Beweisbeschlusses, worauf sich in aller Regel die erste mündliche Streitverhandlung, vielfach also bereits der zweite Gerichtstermin, beschränkt hatte. An die Stelle dieser Institute tritt aber die Anforderung an den Richter, in der vorbereitenden Tagsatzung die Rechtssache im Sinne eines Prozessfahrplans bereits im Vorfeld des Beweisverfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit den Parteien und ihren Vertretern zu erörtern und dadurch den Parteien offen zu legen, auf welche rechtlichen Gesichtspunkte es seiner Auffassung nach ankommt und welche Sachverhaltselemente somit rechtlich relevant sein werden. Das bietet den Parteien gegebenenfalls die Gelegenheit, ihr Tatsachen- und Beweisvorbringen entsprechend zu ergänzen.
In der zunächst kritisch beurteilten – auch heute wieder – Ausweitung des Anwendungsbereiches des Mahnverfahrens auf Zahlungsbefehle bis zum Streitwert von 500 000 € erblicke ich keine echte Gefahr für den Rechtsschutz der beklagten Partei. Anders als bisher wird nämlich künftig im Gerichtshofverfahren für den Einspruch gegen den bedingten Zahlungsbefehl, dessen Frist von zwei auf vier Wochen verlängert wird, Anwaltspflicht vorgesehen.
Zur Beschleunigung und Effizienz des Rechtsschutzes für unstrittige Ansprüche trägt nicht zuletzt die Zurückdrängung des Widerspruches gegen ein Versäumungsurteil bei. Darin kann ich leider meiner Vorrednerin Kollegin Trunk nicht folgen. Ohne jede Ideologie: Ich muss Ihnen sagen, bei Einführung des Widerspruchs im Konsumentenschutzgesetz war die Lehre einhellig dagegen, in der Sorge, wie sich die Praxis mittlerweile bewährt hat, dass das nämlich ein probates Verzögerungsmittel werden könnte. Auch dabei ist meines Erachtens durchaus keine echte Verkürzung des Rechtsschutzes des Beklagten zu erwarten.
Die bei den höheren Streitwerten im bezirksgerichtlichen Verfahren und durchwegs im Verfahren vor den Landesgerichten eingreifende Anwaltspflicht und nicht zuletzt der Rechtsbehelf auch der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bieten dem Beklagten ausreichende Abwehrmöglichkeit.
Aus denselben Erwägungen ist auch die Erweiterung des bisher so genannten echten Versäumungsurteils auf den Fall zu begrüßen. Wenn der Kläger nach Erhebung der Klage oder der Beklagte nach rechtzeitiger Erstattung der Klagebeantwortung oder des Einspruchs gegen einen Zahlungsbefehl nicht zur vorbereitenden Tagsatzung erscheint, dann fehlt es ihm offensichtlich an einer echten Streitbereitschaft.
Aber noch zu einer weiteren Verbesserung: Hält man sich vor Augen, wie häufig es heute in der komplexen, gesellschaftlich-technischen Entwicklung in einem Zivilprozess der Beiziehung eines Sachverständigen bedarf, wird klar, wie sehr auch dieser Umstand neben der Verteuerung des Prozesses zur Verlängerung des Verfahrens führt.
Die Novelle sieht eine Fristsetzung für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens und die Mitwirkungspflicht der Parteien daran vor. Der Gerichtsentlastung mag es überdies künftig dienen, dass die Streiterledigung durch private Schiedsrichter gefördert wird. Es werden Schiedsgerichte der Rechtsanwaltschaft und des Notariats institutionalisiert.
Insgesamt bewerte ich all diese Neuerungen als wesentlichen Fortschritt in dem Bestreben, den Rechtsschutz in Österreich sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht erheblich zu verbessern.
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