Bundesrat Stenographisches Protokoll 686. Sitzung / Seite 117

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"Tagediebe" beschimpft. Wir haben Hunderttausende Menschen, die beispielsweise einen so geringen Pensionsanspruch haben, dass nur die Ausgleichszulage ihr ohnehin mickriges finanzielles Überleben sichert. (Bundesrat Ledolter: Bauern! Selbständige! Kleine Gewerbetreibende! Und so weiter!)

Lassen Sie einmal. (Bundesminister Mag. Haupt: Herr Professor! Ist das Sozialmissbrauch, was Ihre Fraktion fordert?) – Nein. (Bundesminister Mag. Haupt: ... das vorzusehen in diesem Zusammenhang? – Bundesrat Dr. Aspöck: Deswegen soll Charlie Blecha eine Erhöhung ...! – Weitere Zwischenrufe.)

Diese Menschen – und jeder von Ihnen hat in seiner ... (Zwischenruf des Bundesministers Mag. Haupt. ) Herr Minister! Es ist in diesem Haus allerhand üblich, aber nicht, dass man von der Regierungsbank Zwischenrufe macht. (Bundesminister Mag. Haupt: Es ist unter Umständen angebracht ...! – Bundesrat Dr. Aspöck: ... soll Charlie Blecha eine Erhöhung seiner Pension ...!)

Meine Damen und Herren! Sie alle – so unterstelle ich Ihnen – stehen in Kontakt mit Ihren Wählerinnen und Wählern, mit den Mitbürgern in Ihrem jeweiligen politischen Wirkungsbereich. Meinen Sie tatsächlich, dass die Ausgleichszulagenbezieher oder andere vergleichbare Gruppen – einige habe ich ja zugerufen bekommen, kein Problem, das zu unterschreiben – die Tagediebe und Minderleister dieser Republik sind? (Bundesrat Dr. Böhm: Ist ja auch nicht unsere Meinung!) Okay, das hätte ich gerne von Ihnen im Beisein des Herausgebers gehört, der vermutlich über die Publikation dieses Artikels entschieden hat.

Aber darum geht es im Kern: Ja, wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bekennen uns zu einem solidarischen Prinzip der Sozialversicherung und des gesamten Sozialsystems! Das beinhaltet Umverteilung, so wie das Steuersystem auch. Wenn an diesem Grundsatz unserer solidarischen Gesellschaft gerührt wird, dann zerschlägt man etwas, was man nachher, im Fall von dessen Nichtexistenz, bitter bedauern würde. (Bundesrat Dr. Aspöck: Das sollten Sie sozialdemokratischen Spitzenverdienern sagen! ... Abfertigungskünstlern!)

Alle jene, die Spitzenverdiener sind – und wir alle haben relativ anständige Saläre –, gehören zu den Nettozahlern dieses Systems. Die Frage ist nur, ob ich mich dazu bekenne – und wir bekennen uns dazu – oder ob ich darüber dauernd lamentiere und die Empfänger diffamiere. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Nun unterstelle ich Ihnen nicht – aber Sie werden uns das sagen –, dass dieses Zitat Ihre persönliche Meinung zum Ausdruck bringt. Ich bin mir da sehr sicher, und ich hoffe auf klare Worte. Doch die Politik, die hier objektiv durchgeführt wurde, stand zwar nicht unter dieser Überschrift, aber sie ließe sich sehr wohl als eine Verwirklichung solcher Überlegungen deuten. Das, was geschehen ist, und das, was man angekündigt hat und bei dem man manchmal, wenn man hingegriffen hat, gleich wieder zurückgezuckt ist, weil man gemerkt hat, wie stark die Reaktion der Öffentlichkeit ist, geht schon in diese Richtung.

Die Besteuerung dessen, was – im Übrigen fälschlich – umgangssprachlich "Unfallrenten" heißt, ist ein, wirklich nur ein gutes Beispiel dafür. Da wird eine Leistung, die objektiv eine Schadenersatzzahlung ist – was unter allen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, völlig unbestritten ist –, mit einer Quasi-Einkommensteuer belegt, also versteuert. Dann lassen Sie – gerade Sie, Herr Minister! –, weil es eine breite öffentliche Empörung darüber gibt, dass die Ärmsten der Armen solcherart zur Kasse gebeten werden, sich ein kompliziertes und für die Betroffenen durchaus entwürdigendes Verfahren einfallen, um einige Härtefälle zu sanieren.

So kann man nicht Sozialpolitik machen! (Bundesrätin Haunschmid: So wie ihr!) Das ist Willkür nach dem Motto: "Hier gibt es ein Geld, von dem ich mir steuerlich noch etwas holen könnte, und das tue ich." (Beifall bei der SPÖ.)

Genau dadurch, so finden wir, ist der Sozialstaat Österreich – Herr Minister, wieso sind Sie so nervös? Sie sind Sozialminister, auch wenn Sie unsozial agieren. Aber Sie werden sich das in


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