Bundesrat Stenographisches Protokoll 686. Sitzung / Seite 122

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Und für alle jene, die es schon wieder vergessen haben: Man sollte zu diesem Volksbegehren hingehen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

16.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der an ihn gerichteten Anfrage erteile ich dem Herrn Bundeskanzler das Wort. – Bitte.

16.37

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Herr Präsident! Herr Klubobmann Konecny! Der Bundesrat war für mich eigentlich immer ein Ort, wo man relativ sachlich die Dinge beleuchten konnte (Bundesrätin Haunschmid: Das haben wir schon lang nicht mehr!) und wo diese holzschnitzartigen Schwarzweißeffekte eher weniger zutage getreten sind. Ihre Rede erinnert mich genau an das Gegenteil, das war ein Holzschnitt: das Reich des Lichts, das Reich der Finsternis, die eher merkwürdigen Karikaturen vom Jesus-Biographen Haderer, gut, das gehört offensichtlich auch mit dazu. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist doch entzückend! Schauen Sie sich das an!) Ja, ich habe nicht die Qualität des Zeichners bestritten, aber die Qualität des Subjekts. Dass das kein besonders gutes Thema gewesen ist, weder das Jesus-Buch noch dieses Volksbegehren, ist eine zweite Sache.

Herr Bundesrat! Ich habe das Gefühl, dass Sie mit Krampf versuchen, den österreichischen Sozialstaat schlecht zu reden. Und das ist er nicht! Wir haben ein erstklassiges Land! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Schauen Sie sich einmal die Entwicklung der letzten Jahre an! Das ist bitte nicht diese österreichische Bundesregierung, das sind die Zahlen seit dem Jahr 1990. (Der Redner zeigt eine Grafik aus einer Zeitung.) Sie sehen hier den Anstieg, in Euro gerechnet, bei den Ausgaben für die Sozialleistungen: von 35 Milliarden auf 60 Milliarden €. Ich frage Sie: Sehen Sie da irgendwo einen Einbruch? Sehen Sie da irgendwo einen Knick in der Sozialbilanz dieses Landes? – Überhaupt nicht! Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben den Sozialstaat gerettet, wir haben ihn gesichert, und wir haben ihn sogar ausgebaut in manchen Bereichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Unterschied ist nur – auf den lege ich großen Wert, und den soll man ruhig beleuchten und herausarbeiten –, dass wir nicht der Meinung sind, dass man überall "more of the same" geben soll, sondern dass man sich ganz gezielt anschaut: Wo sind Lücken, und wo muss man gegensteuern?

Ich bin jetzt 23 Jahre Parlamentarier, gewählter Parlamentarier, in jeder Wahl direkt gewählt, und seit 13 Jahren in der Bundesregierung, und ich sage Ihnen, wir haben ein erstklassiges Sozialsystem mit großen Lücken. Das sind eben die jungen Familien, die wirkliche Probleme gehabt haben, vor allem hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, und da hilft natürlich ein Kindergeld, das um 50 Prozent bezüglich Dauer ausgeweitet wurde, nämlich von zwei Jahren auf drei Jahre (Bundesrätin Mag. Trunk: Und was tun wir dann?), das auf alle Familien ausgedehnt wurde. – Sie können mir doch als Sozialdemokrat nicht erklären, dass es fair und gerecht war, 15 000 Familien vom Bezug des Karenzgeldes per Gesetz auszuschließen! Wir haben das geändert! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben die Familienbeihilfe erhöht, und wir haben erreicht, dass das Pflegegeld für behinderte Kinder – und das ist ein Verdienst von Herbert Haupt, ich möchte das hier ausdrücklich sagen, denn das war eines seiner wichtigsten Anliegen, und er hat es durchgebracht, wir alle haben ihn unterstützt –, ab der Geburt ausbezahlt werden kann. Das war eine soziale Lücke, die nicht vertretbar gewesen ist.

Wir haben die Kriegsgefangenen in West und Ost, die Zwangsarbeiter entschädigt. Natürlich ist das nicht strittig gewesen, aber Sie können doch in Ihrer gemeinsamen Bilanz auch einmal feststellen, dass in diesen zweieinhalb Jahren sehr viel gelungen ist, was eigentlich außer Streit stehen sollte, Herr Bundesrat! Reden Sie doch nicht immer nur von den Problemen, reden Sie doch auch von den Leistungen, die wir unstreitig gemeinsam zusammengebracht haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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