Bundesrat Stenographisches Protokoll 686. Sitzung / Seite 177

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Zweitens ist es bemerkenswert, wie politische Werte plötzlich wieder an Aktualität gewinnen: Der Herr Bundeskanzler hat hier in fast eindrucksvoller Weise, wenn man nicht wüsste, was er vorher darüber gesagt hat, die Neutralität hoch gepriesen und die Abfangjäger zum notwendigen siamesischen Zwilling der Neutralität erklärt. (Bundesrat Steinbichler: So ist es!) – Das ist eine Festlegung, der ich nicht folgen kann, denn wenn ich mich richtig erinnere, ist das derselbe Herr, der die Neutralität mit Mozartkugeln und Lipizzanern verglichen hat! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Klubobmann Khol hatte offenbar Recht, als er sagte, dass die Wahrheit eine Tochter der Zeit und gewissermaßen eine sehr kurzlebige Tochter ist. – Diese Tochter, nämlich die Mozartkugeltochter, ist nicht einmal ein halbes Jahr alt geworden, dann wurde sie vom Herrn Bundeskanzler offensichtlich gemeuchelt. Jetzt wurde wieder die Neutralität zu einer legitimen Tochter der Zeit ernannt. Allerdings muss ich aus Erfahrung sagen, dass die Lebenserwartung dieser Tochter wahrscheinlich auch nicht sehr hoch sein wird: Ich nehme an, dass sie bei Gelegenheit wieder über Bord geworfen werden wird und es dann andere Prioritäten geben wird.

Wenn Sie also sagen, wie das einige Sprecher getan haben, dass wir unsere Meinungen oft ändern, dann erwidere ich: Oh nein! Unsere Meinungen sind in den Kernfragen seit Jahrzehnten beziehungsweise in Wirklichkeit seit den mehr als hundert Jahren, in denen unsere Bewegung besteht, dieselben. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Aber natürlich haben Sie Recht: Diese Erweckungserscheinungen, die Sie hier hatten, als gesagt wurde, dass man auch den Sozialstaat modernisieren muss, entsprechen genau der Tendenz, mit welcher ich meine Wortmeldung eingeleitet habe. Natürlich ist eine sozial gerechte Gesellschaft unter verschiedenen gesellschaftlichen Bedingungen auch ein unterschiedliches Ding! (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

Wenn wir neue gesellschaftliche Probleme haben, dann müssen wir diese daraufhin überprüfen, wie die soziale Gesellschaft beziehungsweise der Sozialstaat darauf antworten kann. (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. ) Es hat vor 20 Jahren keine atypischen Beschäftigungsverhältnisse gegeben. Vor 20 Jahren hat es praktisch nur Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse gegeben, und das hat andere Maßnahmen beziehungsweise ausschließlich Maßnahmen für diesen Personenkreis erfordert. Heute gibt es Teilzeitbeschäftigung, atypische Beschäftigungsverhältnisse und vielfältige Formen, in denen Menschen ihr Arbeitsleben verbringen, und diese Menschen haben natürlich denselben Anspruch im Rahmen der Solidargesellschaft, zu der wir uns bekennen.

Ich bin der Letzte, der behauptet, dass jede Antwort, die wir gefunden haben, in dieser dynamischen gesellschaftlichen Entwicklung absolut makellos und 100-prozentig treffsicher war beziehungsweise ist und frei von jeder Kritik sein soll. Nein! Natürlich gilt es, annähernd gleich schnell zu sein wie die gesellschaftliche Entwicklung. Manchmal waren die Antworten vielleicht auch nicht so treffsicher. Dafür lasse ich mich gerne kritisieren! – Aber Sie müssen uns zugestehen, dass wir nach entsprechenden Antworten gesucht haben. Sie hingegen ignorieren die Probleme und brauchen deshalb auch gar nicht nach Antworten zu suchen. (Zwischenruf der Bundesrätin Giesinger. )

Frau Kollegin! Ich respektiere Ihre Leistung im Betrieb. Sie haben schon ein paar Mal darüber gesprochen, und ich bin schon länger da, daher ist mir das Thema nicht fremd. Sie haben ein paar Mal von den Problemen gesprochen, die es gibt, und daher verstehe ich ein Prozent von dem, was Sie von Ihrem konkreten Betrieb verstehen. Natürlich gibt es auch in meinem Bekanntenkreis viele Menschen, die ähnlich denken wie Sie. Es geht nicht um Generalisierungen. Frau Kollegin! Ich sage bei allem geziemenden Respekt: Auch Sie sind für die moderne Industriegesellschaft weder die Regel noch die Ausnahme. Es gibt wie überall im Leben vielfältige Abstufungen zwischen denen, die sich für ihren Betrieb und ihre Beschäftigten in Wirklichkeit aufopfern – das kann man ruhig so sagen –, und den wirklichen Schurken, die ihre Geschäftspartner, ihre Kunden und ihre Arbeitnehmer betrügen. Das ist das Weiße und das Schwarze, und dazwischen gibt es 90 Prozent Grau in vielfältigen Abstufungen.

Allerdings haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten einiges erlebt. Das waren nicht nur schwarze Schafe, sondern das ist eine ganze schwarze Schafherde! (Zwischenruf des Bun


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