Bundesrat Stenographisches Protokoll 688. Sitzung / Seite 35

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

lichkeit zum Vorreiter Europas. Ich glaube, dass sich über dieses Faktum alle Fraktionen hier in diesem Haus einig sind. Genau aus diesem Grund verstehe ich den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion nicht. Ich zitiere den Bundesminister, der in der Fragestunde sehr deutlich darauf hingewiesen hat, dass es  – abgesehen von den finanziellen Möglichkeiten, wie etwa den Härtefonds im Sozialministerium – in den nächsten Monaten eine Chance gibt, die Entwicklung der Lage zu beachten und zu beobachten, und dass wir dieses Gesetz, das heute den Bundesrat passieren wird, auf Basis der Erfahrungswerte evaluieren werden. Das ist der Grund, warum ich kein Verständnis für Ihren Antrag habe! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Für uns, die ÖVP, ist die Solidarität mit den Sterbenden ein gesellschaftspolitisch relevantes Thema, die die Sorge um die letzte Lebensphase eines Menschen nicht nur den Medizinern, nicht nur den Pflegenden, nicht nur den Kirchen, nicht nur den Sozialpolitikern und auch nicht nur den Philosophen überlassen will, sondern ganz bewusst in die Familien trägt, die Angehörigen einbindet und für die Angehörigen die Möglichkeit schafft, einen geliebten Menschen aus dem Leben zu begleiten. Wir von der ÖVP vertreten die Position: Menschen sollen an der Hand ihrer Angehörigen aus der Welt scheiden können und nicht durch die Hand von Menschen diese Welt verlassen müssen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir, die Regierungsparteien, lehnen jede Form der Sterbehilfe eindeutig ab! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sterbehilfe à la Belgien und den Niederlanden darf in Österreich, darf in unserem Land keinen Platz haben, wie auch immer die anderen europäischen Länder entscheiden mögen. Es ist keine Frage, und es entspricht eindeutig den Grundwerten meiner Partei, dass der Mensch Mittelpunkt des Denkens und Mittelpunkt unseres Handelns ist (Bundesrätin Schicker: Dieses Gefühl hat man nicht immer bei dieser Regierung!) und daher gerade im Rahmen der Sozialgesetzgebung jede Aussage um diesen Gedanken mit großer Sensibilität zu tätigen ist.

Meine Damen und Herren! Es sterben in Österreich, wie Sie wissen, etwa 85 000 Menschen im Jahr, zwei Drittel davon in Spitälern und in Pflegeheimen. Ich darf hier erwähnen: Wir haben in Österreich ohne Zweifel eine sehr engagierte, eine sehr gute Hospizbewegung. Es sind – begleitet von der Palliativmedizin – die Versorgung und das Betreuungsangebot gegeben; das wissen sehr viele. Trotzdem wünschen sich aber 81 Prozent unserer Mitmenschen nichts sehnlicher, als zu Hause, daheim sterben zu können, wobei dieses "daheim" absolut als sozialer Begriff zu werten ist und nichts anderes heißt, als "ich möchte dort sterben, wo vertraute Menschen um mich sind, wo ich mich auskenne, wo ich ein Stück zu Hause bin".

Für alle Betroffenen geht es um die Bewältigung der letzten Wegstrecke, wenn der Kranke über medizinische Hilfe hinaus besonders auf menschliche Zuwendung und auf Liebe angewiesen ist. Genau da setzt die Forderung dieser Regierung an den Einzelnen und an die demokratische Gesellschaftsordnung an, denn ein Gemeinwesen und auch wir alle als Politiker werden daran gemessen, wie wir mit den Schwächsten unserer Gesellschaft umgehen, und dazu gehören auch die Sterbenden. (Bundesrätin Schicker: Und die Pflegenden!)

Unsere politische Aufgabe ist es, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um diese Zuwendung, um diese Begleitung und die doch von großer Bedeutung gelebte Mitmenschlichkeit in Extremsituationen zu ermöglichen. Genau diesem Umstand trägt das vorliegende Gesetz Rechnung, indem es die Solidarität zwischen den Generationen stärkt, das Recht auf Familie und Gemeinschaft auch am Ende des Lebens gewährleistet. Menschen, die die Betreuung eines sterbenden Angehörigen oder eines schwerkranken Kindes übernehmen, bedürfen unserer bestmöglichen Unterstützung.

Meine Damen und Herren! Sie haben schon Recht, wenn Sie sagen, dass etwa ein Drittel aller Pflegenden erwerbstätig ist und dass diese einer ganz besonderen Doppelbelastung aus Berufstätigkeit und aus Pflegearbeit ausgesetzt sind. (Bundesrätin Schicker: Deshalb unser Antrag!) Wir alle wissen, dass derjenige, der sich um einen sterbenden Angehörigen oder um


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite