Bundesrat Stenographisches Protokoll 688. Sitzung / Seite 48

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Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Verhalten der SPÖ bei diesem Thema überrascht mich nicht mehr. Anscheinend gibt es eine tiefe Beleidigung darüber, dass die blau-schwarze Regierung auch im Sozialbereich die Themenführerschaft übernommen hat. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Würschl: Im Abkassieren!)

Das Thema, mit dem wir uns bei diesem Tagesordnungspunkt auseinander setzen, ist so alt wie die Menschheit. Jede funktionierende menschliche Gesellschaft musste und muss sich der Problematik der Pflege und des Schutzes von noch nicht und nicht mehr voll einsatzfähigen Mitgliedern der Gemeinschaft stellen.

Es wurden im Laufe der Geschichte verschiedene und doch immer wieder ähnliche Antworten gegeben und Modelle entwickelt. Bei den meisten Naturvölkern ist der Erfahrungsschatz der Alten hoch im Kurs und der würdevolle Ausklang des Lebens auch unter einfachsten Gegebenheiten eine Selbstverständlichkeit.

Wenn man, so wie ich, das Glück hatte, mit Großeltern im gemeinsamen Haushalt aufzuwachsen, weiß man, wie wertvoll der Umgang mit älteren Menschen für die Entwicklung von jungen Menschen ist und wie schmerzhaft es sein kann, wenn man das natürliche Altern und das Sterben dieser Bezugspersonen nicht verhindern kann. Mit solchen Erfahrungen ist es leicht, die aktive Sterbehilfe, die Euthanasie, wie sie in Belgien gesetzlich verabschiedet wurde, abzulehnen und sich voll dafür einzusetzen, dass allen Sterbenden ein Abschied in Würde und mit Zuneigung und Liebe möglich ist.

Tatsache ist, dass es zu diesem Thema Verantwortlichkeiten im Familienbereich gibt, denen wir uns nicht entziehen können. Tatsache ist aber auch, dass die strenge Verpflichtung zur Wahrnehmung dieser Verantwortlichkeiten die Möglichkeiten der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit über Gebühr einschränken kann. In den letzten Jahrzehnten haben sich aus meiner Sicht zwei grundsätzlich verschiedene Zugänge zur Thematik des würdevollen Sterbens entwickelt:

Der konservative Zugang beharrt auf althergebrachten Mustern und idealisiert teilweise Zustände in der Vergangenheit, die bei näherem Betrachten nicht eins zu eins übernehmbar sind.

Der progressive Zugang überträgt Verantwortlichkeiten übermäßig an den Staat, übermäßig in professionelle Hände, wodurch einerseits hohe Kosten entstehen und andererseits Menschlichkeit und Wärme verloren gehen.

Irgendwo zwischen dem konservativen und dem progressiven Zugang liegt der richtige Punkt, dem wir uns annähern müssen. Oft ist ein kleiner Schritt zurück ein großer Schritt nach vorne. Mit den in Verhandlung stehenden Gesetzentwürfen scheint dies gelungen zu sein. Der Weg ist richtig und wird in Bereichen, in denen das Gefühl für gegenseitige Verantwortung im Familienbereich noch nicht abhanden gekommen ist, erfolgreich sein. Dort, wo Verantwortungslosigkeit und Egoismus die Oberhand gewonnen haben, werden wir in mühseliger Kleinarbeit wieder aufbauen müssen, was über – aus meiner Sicht falsch verstandene – ideologische Basisarbeit zerstört wurde.

Die Möglichkeit, sich über das Gesetz betreffen Familienhospizkarenz zur Betreuung und Sterbebegleitung naher Angehöriger sozial- und arbeitsrechtlich abgesichert freistellen zu lassen, ist eindeutig zu begrüßen. Wer sich in der Vergangenheit zur Pflege eines Familienmitgliedes bekannt hat, musste mit Konsequenzen am Arbeitsplatz rechnen. In Zukunft gibt es einen Rechtsanspruch auf Herabsetzung und auf Änderung der Normalarbeitszeit beziehungsweise auf Freistellung bei Entfall des Arbeitsentgeltes. Der Zeitraum ist mit Verlängerung bis zu einem halben Jahr ausdehnbar, wobei die Arbeitslosen-, Kranken- und Pensionsversicherung aufrecht bleibt.

Die freiheitliche Fraktion stimmt diesem Tagesordnungspunkt aus voller Überzeugung zu. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.50


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