Bundesrat Stenographisches Protokoll 688. Sitzung / Seite 71

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Kernpunkt der Reform ist aus meiner Sicht nicht so sehr die Neukodifizierung des Vergaberechtes unter notwendiger Berücksichtigung der Rechtsprechung, insbesondere des Verfassungsgerichtshofes und von EU-Richtlinien, sondern die bereits mehrfach erwähnte Zusammenführung der bisher geteilten Gesetzgebungszuständigkeit für das Vergabewesen.

Neun Landesgesetze mit EU-bedingt immer geringeren Unterschieden und immer stärkeren Verweisungen auf das Bundesvergabegesetz waren wirklich keine sinnvolle Verkörperung von Bundesstaatlichkeit mehr. Dazu kommt, dass das Vergaberecht als Mittel der lokalen oder regionalen Wirtschaftspolitik weitgehend ausgedient hat. Ich bin auch überzeugt davon, dass über kurz oder lang die Zeit für ein europaweit einheitliches Vergaberecht kommen wird, das über Richtlinien hinausgeht, weil ebenso wenig wie die Unterschiede zwischen Graz und Eisenstadt, jene zwischen Salzburg und Rosenheim verständlich zu machen sein werden. Die Diskussion, die wir innerstaatlich geführt haben, ob es Sinn macht, zehn Vergabegesetze zu haben, wird auch europaweit zu führen sein, ob es Sinn macht, 15 unterschiedliche Vergaberegelungen in den einzelnen Nationalstaaten zu haben.

Wenn Gliedstaaten eine Gesetzgebungszuständigkeit an den Bund übertragen, gehört die Möglichkeit der Mitwirkung an der weiteren Ausübung dieser Zuständigkeit zu den Wesensmerkmalen eines Bundesstaates. In der Regel, aber keineswegs zwingend, wird diese Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung im Wege einer zweiten parlamentarischen Kammer ausgeübt. In Österreich ist sie zwar grundsätzlich dem Bundesrat übertragen, daneben gibt es aber heute schon mehrere eigenständige Mitwirkungsrechte der Länder.

Sowohl die Einrichtung anderer als der im B-VG aufgezählten Bundesbehörden in den Ländern als auch die bundesgesetzliche Übertragung von Aufgaben an die Unabhängigen Verwaltungssenate bedürfen vor ihrer Kundmachung der ausdrücklichen Zustimmung der Länder.

In Nebenabreden zu 15a-Vereinbarungen über die Krankenanstaltenfinanzierung und in Finanzausgleichsverhandlungen wurde die Erlassung von Bundesgesetzen etwa im Krankenanstalten- und Schulbereich ausdrücklich an das Einvernehmen mit den Ländern gebunden, und auch die 15a-Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus sichert den Ländern vom Bundesrat losgelöste Mitwirkungsrechte bei Gesetzgebungsvorhaben des Bundes.

Die mit dem Bundesvergabegesetz in Zusammenhang stehende Änderung der Kompetenzverteilung des B-VG knüpft an diese Beispiele an. Vor einer Kundmachung künftiger bundesgesetzlicher Regelungen im Vollziehungsbereich der Länder ist es notwendig, dass alle neun Länder ausdrücklich zustimmen. Dieses Zustimmungsrecht der Länder tritt aber nicht an die Stelle des Bundesrates, sondern neben ihn und lässt sein Einspruchsrecht unangetastet. Es kann diesem sogar mehr Gewicht verleihen, weil die Zustimmungsverweigerung am Ende des Gesetzgebungsprozesses für sich allein einen Konflikt zwar deutlich macht, ihn aber noch nicht löst. Eine frühzeitige Rückverweisung an den Nationalrat mit dem Zustimmungsrecht der Länder im Rücken hat sowohl Gewicht als auch Problemlösungskapazität.

Das soll aber nicht über das seit längerer Zeit zu beobachtende Faktum hinwegtäuschen, dass die Länder ein Zustimmungsrecht lieber selbst in der Hand behalten, als in die Hand des Bundesrates zu legen, weil sich zumindest dessen Mehrheit an politische Vereinbarungen auf Bundesebene gebunden fühlt, solche Rechte nicht auszuüben, womit sie für die Länder letztlich wirkungslos werden.

Ebenso wie bei den bisherigen Zustimmungsrechten der Länder überlässt es auch der vorliegende Gesetzesbeschluss der Verfassungsautonomie der Länder, das für die Erteilung der Zustimmung zuständige Landesorgan selbst bestimmen zu können. Mangels einer gesonderten Regelung wird das die Landesregierung sein, nicht – das sei an die Adresse des Herrn Kollegen Schennach gesagt – die Landeshauptleute-Konferenz, es ist aber wie beispielsweise in Salzburg auch denkbar, dass sich der Landtag das vorbehält. Ein solches Mitwirkungsrecht des Landtages ist nicht zuletzt deshalb sachgerecht, weil es sich ja um eine früher von ihm selbst und nicht von der Landesregierung ausgeübte Zuständigkeit handelt.


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