Bundesrat Stenographisches Protokoll 688. Sitzung / Seite 173

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Bundesrat Konecny! Sie haben jetzt zum Schluss gesagt, was unser neutraler Beitrag zu friedenserzwingenden Einsätzen sein kann. Genau da haben wir schon eine Problematik in der Semantik. Aus meinem Verständnis heraus, was ein dauernd Neutraler für Voraussetzungen erfüllen müsste, schließt sich ein Beitrag zu friedenserzwingenden Maßnahmen gegen den Willen einer der Streitparteien, die man als Neutraler streng gleich behandeln muss, aus. (Bundesrat Konecny: Es gibt auch irreguläre Streitparteien, für die die Neutralität nicht gilt!) Aber bei friedenserzwingenden Einsätzen ist es sicherlich eine absolute Notwendigkeit, dass sich ein Neutraler nicht daran beteiligen kann. (Bundesrat Konecny: Wenn ein demokratisch legitimiertes Regime gegen irgendwelche Banden vorgeht, da muss das möglich sein!) Ja, wer definiert das, Herr Kollege Konecny? – Genau das ist das Problem. Aber hier gibt es eben sehr viele Widersprüchlichkeiten in sicherheitspolitischen Betrachtungen.

Genauso ist es bei der Beurteilung eines Bedrohungsbildes, meine Damen und Herren! Es wurde hier jetzt so oft gesagt, wir leben in einer Zeit, in der Kriege nicht mehr möglich sind, und in einem Umfeld, das friedlich ist, in dem es keine Bedrohungen mehr gibt. Das ist alles wunderbar und schön, wenn man das hier hört, ich hoffe nur, dass sich niemand irrt bei diesen Beurteilungen. Das ist immer das Problem, meine Damen und Herren: Beurteilungen kann man rasch abgeben. Eine Zeitung kann die Schlagzeile ändern, wenn sie sich geirrt hat. Auch Meinungsforscher können dann ein anderes Bild erheben, wenn sie sich geirrt haben. Der Politiker, vor allem der Regierungspolitiker, trägt die Verantwortung für die Folgen seines Irrtums.

Natürlich sind Beurteilungen auch dazu da, die Lage einzuschätzen. Das ist auch richtig so. Gott sei Dank – niemand will ein Schreckensszenario zeichnen, das es nicht gibt – gibt es derzeit keine militärische, keine konventionelle militärische Bedrohung gegenüber Österreich. Deshalb werden wir auch bei den Luftstreitkräften nicht 150 Kampfflugzeuge anstreben, wie sie etwa die Schweiz hat, sondern wollen 24 beschaffen. 150 wären vielleicht in der Lage, Luftverteidigung in einem Konflikt möglich zu machen. Das ist aber nicht sinnvoll. (Bundesrat Konecny: Eben!) Auch die Schweiz erkennt, dass sie da in einer Sackgasse ist. Aber die Luftraumüberwachung ist nach wie vor eine Notwendigkeit.

Ich sage Ihnen auch etwas zu diesen Irrtümern. 1989 haben wir auch alle geglaubt, dass Krieg in Europa nicht mehr möglich ist. Zwei Jahre später war der Krieg nicht nur in Europa, sondern an unseren Grenzen. Das österreichische Bundesheer – wenn ich diese Rechnung aufstelle, was ein Luftraumüberwachungseinsatz kostet – war einmal in der Geschichte in einem Fall der militärischen Landesverteidigung nach § 2 lit. a des Wehrgesetzes zum Einsatz gebracht worden. Einmal in der gesamten Geschichte des Bundesheeres! Das war nicht in der Zeit des Kalten Krieges, sondern 1991 während der Slowenienkrise.

Jetzt könnte man auch sagen: 23 Milliarden Schilling pro Jahr – hochgerechnet auf die Existenz des Bundesheeres seit 1955 – für einen militärischen Einsatz der Landesverteidigung! Mit Ihrer Argumentation könnte man sagen, für das eine Mal hätten wir das auch nicht gebraucht. Aber ich glaube, Herr Kollege Konecny, wir sind uns einig, dass ein Bedrohungsfall, mit dem man nicht gerechnet hat, den man auch nicht herbeigesehnt hat, für den wir nicht vorgesorgt haben, damit wir Schutz und Hilfe geben können, so viele Konsequenzen haben kann, die wohl niemand von uns verantworten kann. Das Problem ist, dass es niemand vorhersehen kann. Dazu kann ich Ihnen Hunderte Beispiele geben.

Auch unsere ABC-Abwehrtruppen wurde in den vergangenen Jahren vom Rechnungshof schon einmal kritisiert. Wozu braucht das Bundesheer ABC-Abwehrkapazität für einen Einsatzfall, der auch nicht, Herr Kollege Konecny, realistisch gewesen ist? (Bundesrat Konecny: Fragen Sie Kollegen Finz! Der hat das gesagt, nicht ich!) Es stimmt, dass unsere ABC-Abwehrtruppen für einen anderen Einsatzfall ausgebildet und vorbereitet worden sind, nämlich für den Schutz der eigenen Truppen in einem derartigen atomaren Kriegsfall.

Trotzdem, meine Damen und Herren, waren wir voriges Jahr froh, dass wir diese Truppen gehabt haben. Über 300 Mal sind diese Truppen nach dem 11. September gerufen worden. (Bun-desrat Konecny: Wer stellt das in Frage außer Kollegen Finz!) – Ja, jetzt nicht, damals schon. Einmal sind sie doch gerufen worden!


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