Bundesrat Stenographisches Protokoll 690. Sitzung / Seite 201

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Als erster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Anna Schlaffer das Wort. – Bitte.

22.04

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Strafrechtsänderungsgesetz hätte in seiner Entstehungsgeschichte im Zeichen der Terrorbekämpfung stehen sollen. Gerade der nahende erste Jahrestag der schrecklichen Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001 wäre Anlass genug gewesen, um über die Zweckmäßigkeit und Sinnhaftigkeit weiterer gesetzlicher Bestimmungen zur Verbesserung der Sicherheit unseres Landes und seiner Bevölkerung zu diskutieren. Stattdessen aber verschwindet die Bedeutung dieses Gesetzes hinter einer – ich kann es nicht anders sagen – Husch-Pfusch-Aktion, die vermutlich von Bundeskanzler Schüssel ausgegangen und von Klubobmann Khol zur Exekution gebracht worden ist.

Am 24. Juni 2002 hat der Verfassungsgerichtshof den immerhin schon seit 31 Jahren heftig umstrittenen § 209 – auch als Homosexuellen-Paragraph bekannt – für verfassungswidrig erklärt. Zugleich billigte er der Bundesregierung eine Frist bis 28. Feber 2003 zur Neuregelung zu. Doch anstatt die Meinung von Experten einzuholen sowie den für Herbst anstehenden Rahmenbeschluss der EU und auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zum § 209 abzuwarten, tauchte nicht einmal drei Wochen nach Bekanntwerden der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in der Sitzung des Nationalrates am 11. Juli 2002 ein neuer Gesetzestext auf.

Ohne Begutachtungsverfahren und ohne die gerade in einer so heiklen Materie unverzichtbare, ausreichende wissenschaftliche Begleitung wurde in einer äußerst unsauberen – anders kann man es nicht bezeichnen – parlamentarischen Arbeit, die ÖVP und FPÖ zu verantworten haben, ein selbst von dieser Bundesregierung nicht zu erwartendes Pfuschgesetz mehrheitlich beschlossen.

Ich bezweifle nicht, ja ich behaupte sogar, dass sich ein Großteil der Abgeordneten nicht einmal genau bewusst war, was da beschlossen wurde (Bundesrat Mag. Himmer: Na geh!), denn sonst wäre es kaum möglich gewesen, dass ein – wie es selbst der ehemalige ÖVP-Generalsekretär und -Justizsprecher Michael Graff bezeichnet hat – "unbrauchbares, ja unanwendbares" Gesetz beschlossen worden wäre. Übrigens spricht auch die Junge ÖVP Steiermark von einem unverständlichen Schnellschuss.

Wir werden daher zukünftig anstatt des § 209 den um nichts weniger umstrittenen § 207b haben. Bevor ich aber auf den Punkt meiner vorrangigen Kritik eingehe, möchte ich namens meiner Fraktion festhalten, dass wir zweifelsfrei und ohne Vorbehalt dafür eintreten, dass der Schutz vor Prostitution und Ausnützung eines Abhängigkeitsverhältnisses unbestreitbar gewährleistet sein muss. Genauso legen wir jedoch Wert auf die Feststellung, dass es das Recht eines jeden jungen Menschen sein muss, seine Sexualität ohne Druck, Zwang oder Abhängigkeit entwickeln zu können. Genau dieses Recht wird durch den neuen § 207b in seinem ersten Absatz erheblich eingeschränkt.

Anstatt entsprechend der längst gegebenen gesellschaftlichen Realität den einzig sinnvollen Schritt zu setzen und auch das Schutzalter für homosexuelle Jugendliche auf 14 Jahre zu senken, wurde es nur auf 16 Jahre gesenkt. Gleichzeitig wurde aber das Schutzalter für Mädchen von bisher 14 Jahren auf 16 Jahre angehoben – dies, obwohl es seit vielen Jahren keine gröberen Beanstandungen gegeben hat und ein Reformbedarf zu keiner Zeit in Diskussion stand!

Mit der generellen Festsetzung eines Schutzalters von 14 Jahren hätte Österreich nicht einmal einen revolutionären Schritt gesetzt. Ich weiß nicht, ob es Ihnen bekannt ist, aber sogar im Vatikanstaat gibt es schon seit Jahrzehnten ein sowohl für Mädchen als auch für Buben geltendes Schutzalter von 12 Jahren. Die ÖVP, die sich so gerne auf ihre christlich-sozialen Werte beruft, wäre also keineswegs in Konflikt mit der katholischen Kirche gekommen.


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