Bundesrat Stenographisches Protokoll 690. Sitzung / Seite 218

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Gewiss: All das sind Anekdoten. Ich behaupte daher nicht, dass diese Erlebnisse repräsentativ für die damaligen Verhältnisse an den österreichischen Bezirksgerichten gewesen wären. Viel eher muss man davon ausgehen, dass es sich um eine ungewöhnliche Anhäufung von Einzelfällen handelte. Ich will damit auch nichts anderes beweisen als die Zweckmäßigkeit der heute anstehenden Gesetzesnovelle, denn jede zusätzliche Perspektive, die ein Rechtspraktikant während seiner Gerichtspraxis gewinnen kann, ist von Vorteil, und zwar schon deshalb, weil jeder Rechtspraktikant als Staatsbürger einen Teil der Öffentlichkeit darstellt und als solcher Kontrolle ausübt.

Das Gesagte gilt aber auch für die Möglichkeit, das Rechtspraktikum in einer Justizanstalt fortzusetzen. Sie wissen, dass ich einer Partei angehöre, die den Opferschutz vor den Täterschutz stellt. Als "Law-and-Order-Partei" muss es uns aber auch darauf ankommen, dass Häftlinge korrekt behandelt werden. Das umschließt den Schutz vor jedweder Willkür auch für Übergriffe durch Mithäftlinge. Wenn uns die körperliche Unversehrtheit so wichtig ist, dass wir die Delikte gegen Leib und Leben deutlich strenger ahnden als jene gegen das Vermögen, dann muss diese Wertung auch in Hinblick auf die körperliche Unversehrtheit der Häftlinge zum Ausdruck kommen. Dieser Gedanke erstreckt sich natürlich auf sämtliche Haftbedingungen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich hoffe also, dass mit dieser Gesetzesnovelle nicht nur die Kenntnisse der Rechtspraktikanten über den Strafvollzug vertieft und das Interesse an juristischen Tätigkeiten in Justizanstalten geweckt werden: Vielmehr hoffe ich, dass diese kleine Novelle einen Beitrag zur Sensibilisierung eines größeren Juristenkreises für die Probleme des kollektiven Lebens hinter Gittern und zur Festigung rechtsstaatlicher Verhältnisse in unseren Haftanstalten leistet.

Im Übrigen möchte ich Frau Kollegin Trunk Recht geben: Ich verstehe auch nicht, warum es nicht möglich sein soll, ein Teil des Rechtspraktikums bei den Volksanwälten zu absolvieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

23.23

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Ludwig Bieringer: Ich gebe bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Mag. Hoscher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gefährdung der unparteiischen Amtsführung des Bundesministers für Justiz durch laufende Zahlungen aus seiner ehemaligen Kanzlei an den Herrn Bundesminister für Justiz vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung.

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Mir liegt keine weitere Wortmeldung mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zinsenrecht im allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, im Handelsgesetzbuch, im Aktiengesetz 1965 und im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert wird (Zinsenrechts-Änderungsgesetz).


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