Bundesrat Stenographisches Protokoll 690. Sitzung / Seite 217

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Im Zusammenhang mit dem Zinsenrechts-Änderungsgesetz geht es darum, dass insbesondere Klein- und Mittelbetriebe als Gläubiger oft darunter leiden, dass in den Mitgliedstaaten die Frage der Verzugszinsen unterschiedlich geregelt ist. Daher profitieren von dieser EU-Richtlinie 2035 nicht zuletzt gerade die Klein- und Mittelbetriebe.

Wir erwarten uns, dass sich durch diese Änderung auf 8 Prozent über dem Basiszinssatz die Zahlungsverzögerungen zurückdrängen lassen, was letztendlich auch der Liquidität der Unternehmen zugute kommen sollte. – Wir werden auch diesem Punkt und damit allen Punkten die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

23.18

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann. – Bitte, Herr Bundesrat.

23.18

Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir einige persönliche Anmerkungen zum Rechtspraktikantengesetz!

Die Ausbildung von Rechtspraktikanten erfolgt grundsätzlich für die Dauer von neun Monaten, Verlängerungen sind bei sozialen Härtefällen oder einer Anstellungsübernahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst möglich. Schon nach der bisherigen Gesetzeslage war vorgesehen, dass sich Rechtspraktikanten nicht nur im Rahmen einer gerichtlichen Zuteilung ausbilden lassen konnten, sondern auch bei der Staatsanwaltschaft. Ich selbst habe meine juristische Karriere mit dem Abschluss des Rechtspraktikums beendet, wenn man einmal davon absieht, dass ich mit einer Rechtsanwältin verheiratet bin, also praktisch auf dem Standesamt die Rechtsanwaltsprüfung bestanden habe. (Beifall der Bundesrätin Haunschmid. )

Wenn mir die höheren Weihen der angewandten Jurisprudenz auch nicht aus eigener Kraft zuteil wurden, so habe ich doch im Verlauf meiner Gerichtspraxis lange Zeit als Bezirksanwalt gearbeitet. Für diese schon damals im Gesetz verankerte Möglichkeit bin ich heute noch dankbar, denn ich bekam Gelegenheit, die Mechanik des Strafprozesses nicht nur aus der Warte des Richters zu sehen. Die Rolle des Bezirksanwaltes erlaubt es auch, aktiv am Prozessgeschehen teilzunehmen und diese Rolle unterschiedlich anzulegen, denn damals verpflichtete die Strafprozessordnung die Staatsanwälte, nicht nur belastende Umstände hervorzubringen, sondern auch solche, die zu Gunsten des Beklagten sprachen.

Ich fand hier – möglicherweise nicht ganz im Sinne des Gesetzes – mein eigentliches Tätigkeitsfeld. Wenn ich meiner bescheidenen juristischen Laufbahn nämlich etwas zugute halten kann, dann die Tatsache, dass es während meiner Amtszeit als Bezirksanwalt zu einer merklichen Steigerung von Freisprüchen kam. Zurückzuführen war das nicht darauf, dass ich besonders nachsichtig oder juristisch besonders qualifiziert gewesen wäre. Grund dafür war allein die Tatsache, dass es überhaupt jemanden gab, der auch die Position des Beschuldigten im Auge hatte, denn am Bezirksgericht ist eine Verteidigung durch Rechtsanwälte die Ausnahme, nicht die Regel.

So musste ich feststellen, dass eine Vorstrafe oder ein Mangel an Artikulationsvermögen die Chance auf einen fairen Prozess nicht unwesentlich beeinträchtigte. Ich erlebte auch Bezirksrichter, die auf dem Aktendeckel schon die Höhe und die Anzahl der Tagsätze berechnet hatten, bevor der Beschuldigte auch nur ein Wort zu seiner Verteidigung sagen konnte. Ich erlebte Richter, welche die Verhandlungslänge danach festsetzten, ob das Wetter segeltauglich war oder nicht, die während der Befragung des Beschuldigten durch die Bezirksanwälte den Saal verließen, oder einen wegen Bagatelldelikten Vorbestraften zu einer unbedingten Haftstrafe verdonnerten, weil er über einen Zaun gestiegen war und ein paar Zwetschken mitgehen lassen hatte. Ich erlebte Fälle, in denen der Beschuldigte während der gesamten Verhandlung nicht begreifen konnte, weswegen man ihm eigentlich den Prozess machte. Mir kamen aber auch Bezirksanwälte unter, die bis zum Ende der Verhandlung durchschliefen, um dann die Verurteilung des Beschuldigten zu verlangen, mitunter in dem Ausmaß, das mit dem Richter zuvor in der Gerichtskantine vereinbart worden war.


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