Bundesrat Stenographisches Protokoll 690. Sitzung / Seite 245

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Ich befasse mich im Folgenden mit jenen Teilen des Gesetzesbeschlusses, die in bemerkenswerter Weise im Ausschussbericht ausgespart sind, obwohl sie den Schwerpunkt der ASVG-Novelle darstellen.

Wie bereits in der vorangegangenen Sitzung des Bundesrates angekündigt, bringen die von Vorarlberg entsandten Bundesräte in Übereinstimmung mit der vom Landtag am 6. März 2002 einstimmig gefassten Entschließung den Antrag ein, gegen den Gesetzesbeschluss betreffend Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes mit folgender Begründung Einspruch zu erheben.

Antrag

der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, 1183/NR und 1193/NR sowie 6698/BR, Einspruch zu erheben.

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, 1183/NR und 1193/NR sowie 6698/BR, wird mit der angeschlossenen Begründung Einspruch erhoben.

Begründung:

Mit dem Gesetzesbeschluss wird unter anderem die Absicht verfolgt, finanzielle Probleme verschiedener Krankenkassen durch eine Neugestaltung des Strukturausgleiches, durch eine weitere Erhöhung der Beiträge an den Ausgleichsfonds sowie durch die Verpflichtung einzelner Krankenkassen zur Gewährung von Darlehen an den Ausgleichsfonds zu beheben. Er trägt allerdings zu wenig dem Gesichtspunkt Rechnung, dass Strukturprobleme nicht durch Einmalzahlungen, sondern nur durch Strukturreformen gelöst werden können.

Abgesehen davon, dass diese Finanzierungsform von den Krankenkassen selbst abgelehnt wurde und in Vorarlberg auch auf den geschlossenen Widerstand des Landtages, der Gemeinden, aller politischen Parteien, der Sozialpartner und der Bevölkerung stößt, sind für den Einspruch gravierende verfassungsrechtliche Bedenken maßgeblich, auf die im – für die Beschlussfassung der Regierungsvorlage allerdings gar nicht abgewarteten – Begutachtungsverfahren von zahlreichen Stellen hingewiesen wurde.

Es ist davon auszugehen, dass das für die österreichische Krankenversicherung charakteristische System der Selbstverwaltung keinen einfachgesetzlichen Änderungen unterzogen werden darf, die das Prinzip der Autonomie der einzelnen Sozialversicherungsträger grundlegend untergraben würden. Der einfache Bundesgesetzgeber muss die Selbstverwaltung vielmehr nach den bundesverfassungsgesetzlich ausdrücklich vorgegebenen oder jedenfalls historisch vorgefundenen und in das B-VG implizit übernommenen Grundsätzen gestalten. Der Gesetzesbeschluss überschreitet in mehrfacher Hinsicht sowohl die verfassungsrechtlichen Grenzen der Selbstverwaltung als auch die durch den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums zu beachtenden Schranken.

Zunächst werden bei der Neugestaltung des Strukturausgleichs auch solche Tatbestände als Strukturnachteil anerkannt, die durch den Krankenversicherungsträger im Rahmen seiner finanziellen Autonomie selbst verursacht wurden. Strukturnachteile, die im Rahmen eines Strukturausgleichs zwischen den verschiedenen Krankenversicherungsträgern ausgeglichen werden sollen, können nach ihrem Sinn und Zweck, aber auch nach Sachlichkeitserwägungen regelmäßig nur objektive, also von den Krankenversicherungsträgern unbeeinflussbare Belastungen sein.


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