Bundesrat Stenographisches Protokoll 690. Sitzung / Seite 246

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Weiters sieht der Gesetzesbeschluss eine Erhöhung der Beiträge an den Ausgleichsfonds für die Geschäftsjahre 2003 und 2004 von 2 Prozent auf 4 Prozent vor. Dieser Beitragssatz war erst zum 1. Jänner 2001 von 1,4 auf 2 Prozent erhöht worden. Mit der nunmehrigen Erhöhung wird der Beitrag innerhalb von zwei Jahren beinahe verdreifacht. Damit wird die finanzielle Situation auch jener Gebietskrankenkassen mit einer bislang ausgeglichenen Gebarung so verschlechtert, dass auch sie ihre gesetzlichen Pflichtleistungen aus eigenen Mitteln nicht mehr erfüllen können.

Insgesamt stellt sich daher die Frage, ob es dem aus dem Gleichheitssatz fließenden Sachlichkeitsgebot sowie dem Grundsatz der finanziellen Selbständigkeit der Krankenversicherungsträger entsprechen kann, dass eine Verpflichtung zu Beitragszahlungen an den Ausgleichsfonds auch dann besteht, wenn diese dazu führt, dass einzelne Krankenversicherungsträger zur Gewährleistung ihrer gesetzlichen Leistungsverpflichtungen Darlehen am freien Kapitalmarkt aufnehmen müssen.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg 11.013/1986 die Auffassung vertreten, dass eine Abschöpfung jedenfalls dann unsachlich wäre, wenn der Krankenversicherungsträger durch die Überweisungen an den Ausgleichsfonds nicht mehr in der Lage ist, seinen gesetzlichen Aufgaben und Verpflichtungen mit seinen eigenen Mitteln und mit den Mitteln des Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger nachzukommen.

Schließlich werden mehrere Krankenversicherungsträger verpflichtet, verzinsliche Darlehen an den Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger zu gewähren. Dadurch wird das bereits durch die erhöhten Beiträge an den Ausgleichsfonds entstehende Gebarungsproblem weiter verschärft, sodass in absehbarer Zeit alle Krankenkassen sanierungsbedürftig sein werden.

Auch ist bezüglich der sachlichen Rechtfertigung dieser Zwangsdarlehen zu bedenken, dass die Krankenversicherungsbeiträge ihren legitimierenden Erhebungsgrund in der Abdeckung des Risikos einer bestimmten Versicherungsgemeinschaft, nämlich der jeweiligen Krankenkasse der Versicherten, finden. Durch die Verpflichtung zur Gewährung eines Darlehens an den Ausgleichsfonds werden diese Krankenversicherungsbeiträge nicht mehr für das Versichertenrisiko der jeweiligen Krankenkasse, für welche die Beiträge erhoben wurden, sondern für dritte Kassen, das heißt andere Versichertengemeinschaften, verwendet. Dies erscheint insbesondere deshalb unsachlich, weil die Beitragssätze der im Ausgleichsfonds verbundenen Krankenversicherungsträger zum Teil erheblich divergieren und folglich die Versicherten mit höheren Beitragssätzen andere Krankenversicherungsträger mit niedrigeren Beitragssätzen "subventionieren". Eine so verstandene Versichertensolidarität widerspricht dem Grundsatz der Selbstfinanzierung. Dafür, dass überhaupt nur im Rahmen gleicher Beitragssätze eine Versicherungsriskengemeinschaft besteht, spricht auch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wonach es dem Gleichheitssatz widerspräche, wenn innerhalb einer Risikogemeinschaft unterschiedliche Beitragssätze vorgesehen würden.

Darüber hinaus verstößt die angefochtene Regelung gegen die verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentumsfreiheit. Eingriffe in die Rücklagen der Krankenversicherungsträger sind zumindest als enteignungsähnliche Eigentumsbeschränkung im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu qualifizieren. Derartige Eingriffe sind aber nur gerechtfertigt, wenn sie einem öffentlichen Interesse dienen und verhältnismäßig sind. Bei Enteignungen verlangt der Verfassungsgerichtshof darüber hinaus, dass ein konkreter Bedarf vorliegt, das Objekt zur Deckung dieses Bedarfes geeignet ist und es unmöglich ist, diesen Bedarf anders als durch Enteignung zu decken. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verletzt eine gesetzliche Regelung jedenfalls die Eigentumsfreiheit, wenn sie einen geradezu konfiskatorischen Effekt hat, dass heißt wenn eine Geldleistungspflicht den Pflichtigen exzessiv belasten und dadurch seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde.

Dies trifft im vorliegenden Fall zu. Durch die gegenständliche Verpflichtung zur Darlehensgewährung wird die finanzielle Selbständigkeit als wesentlicher Bestandteil der eigenen Rechtspersönlichkeit der Sozialversicherungsträger derart gefährdet, dass letztlich selbständige Handlungsspielräume verloren gehen.


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