Bundesrat Stenographisches Protokoll 690. Sitzung / Seite 264

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Nun verhält es sich mit Sicherheit so, dass die bisherige Tätigkeit dieser Bundesregierung – das ist in allen Einzelheiten hier dargelegt worden – entscheidend dazu beigetragen hat, dass sich die Krankenkassen in einer ernsten finanziellen Lage befinden. Es wurde beispielsweise unter dem berühmten Schlagwort des Nulltarifes tief ins Börsel der Krankenversicherungsträger gegriffen, um den Bund bei der Spitalsfinanzierung zu entlasten. – Das ist ein, aber keineswegs das einzige Beispiel.

Ich halte es für ein wenig skurril, wenn wir hier über die schwierige Lage der Kassen reden und dann eine Reihe von Sprecherinnen und Sprechern der Regierungspartei quasi als Palliativmedizin sagt: Aber es ist doch auch etwas Gutes an der 60. Novelle, da haben wir Beiträge gesenkt! – Dieser barocken Argumentation kann ich nicht wirklich etwas abgewinnen! Wir alle würden gerne für unsere jeweilige Klientel Beiträge senken, aber wenn wir die Aufgaben der Gesundheitspolitik ernst nehmen, dann ist das vermutlich nicht das Erste und Richtigste, was wir zu tun haben.

Aber natürlich sind es nicht nur die Maßnahmen im engeren Bereich der Gesundheitspolitik, welche die Kassen negativ betreffen. Wir erleben mit ziemlichen Sorgen eine Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die auch wieder einen Grund hat: Es gibt keine öffentlichen Aufträge und keine aktive Arbeitsmarktpolitik mit dem Ergebnis, dass uns Beitragszahler in der Pensionsversicherung, aber auch in der Krankenversicherung abhanden kommen. Ein Teil der besonderen Probleme der Wiener Gebietskrankenkasse hängt auch damit zusammen, dass sich die Personalpolitik dieser Bundesregierung mit ihrer Attacke auf den öffentlichen Dienst naturgemäß in der Bundeshauptstadt in besonderem Umfang auswirkt.

Wir haben Ihnen im Rahmen einer dringlichen Anfrage bei einer unserer letzten Sitzungen deutlich gesagt, dass das, was hier geschieht, nichts mit Problemlösung zu tun hat. Vielmehr ist dies die Vertagung eines Problems um – so sagen Experten – etwas mehr als ein Jahr. Und ich bin ganz der Meinung des Herrn Vizepräsidenten Weiss, dass zu diesem Zeitpunkt dann glücklich alle Kassen defizitär sein werden, dass jedoch Sie politisch mit diesem Problem nicht mehr konfrontiert sein werden!

Das mag Ihnen attraktiv erscheinen, aber eine Lösung für die Österreicherinnen und Österreicher und für das Gesundheitssystem ist das mit Sicherheit nicht! Natürlich hat Kollegin Höllerer Recht: Die Defizite entstehen in erster Linie einnahmenseitig. Daher ist es auch nicht wirklich erfolgversprechend, mit den gut klingenden Schlagworten von Strukturreformen und Verwaltungseinsparungen so zu tun, als ob das ausgabenseitig sanierbar wäre. Wir müssen ganz klar über den Vorrang im Gesundheitssystem diskutieren, ob wir also – das Wort ist gefallen, es ist hart, aber es ist deshalb nicht falsch – eine Zwei-Klassen-Medizin haben wollen und ob wir Gesundheitskosten auf den Verursacher, also auf den Kranken, in welcher technischen Form auch immer, überwälzen und jenem, der diesen Betrag nicht aufbringen kann, sagen: Es tut uns entsetzlich Leid, aber du gehörst jetzt wieder zu jenen, die vor der Zeit erkranken und vielleicht auch sterben müssen!, oder aber ob wir versuchen, Solidarität umfassend zu begreifen.

Es ist mit Recht darauf hingewiesen worden, dass man bei dieser Lösung, die keine Lösung ist, die Begutachtungsfrist, die den Ländern gegeben wurde, ignoriert hat. Es ist mit niemandem ernsthaft darüber verhandelt worden. Wenn gesagt wird: Setzen wir uns zusammen, und gehen wir solche Probleme wie unterschiedliche Beitragssätze an!, dann gebe ich zu, dass das durchaus auch etwas ist, was im Bereich der Solidarität anzudiskutieren ist! Wir werden zusätzliche Mittel im Gesundheitssystem brauchen, und es handelt sich um eine gesellschaftspolitische Prioritätensetzung, wo wir uns diese besorgen. Eine lineare – und ich betone das Wort "lineare" – Beitragserhöhung ist mit Sicherheit nicht die Lösung! Aber es gibt durchaus Möglichkeiten, Einkommensbestandteile, die heute nicht der Krankenversicherungspflicht unterliegen, für eine Verbreiterung des Beitragsaufkommens heranzuziehen. Wir werden über manche Einrichtungen durchaus auch im Zusammenhang mit einer Rationalisierung reden müssen.


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