Bundesrat Stenographisches Protokoll 690. Sitzung / Seite 289

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unfair ist, außer dass ein Sachverhalt öffentlich gemacht worden ist, den Sie von sich aus jedenfalls nicht öffentlich gemacht haben.

Ihre Erklärung, dass Sie mit dieser Kanzlei – ich sage es jetzt umgangssprachlich – nichts zu tun haben, ist im Verständnis der Öffentlichkeit mit Sicherheit unrichtig. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist falsch!) Im Sinn des Unvereinbarkeitsgesetzes ist es korrekt, aber Sie können nicht davon ausgehen (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Maier.  – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen), dass der rechtssuchende Bürger, um dessen Vertrauen in die Justiz es dabei geht, vorher eine Prüfung über das Unvereinbarkeitsgesetz ablegen und es auswendig können muss. Der Bürger und die Bürgerin wollen darauf vertrauen können, dass diese Justiz so unabhängig und unbeeinflusst arbeitet (Bundesrat Dr. Böhm: Ist sie ja!), wie er und sie sich das wünschen.

Darüber könnten wir in einer weiteren Dringlichen – heute nicht mehr – debattieren (Bundesrat Dr. Böhm: Gestehen wir Ihnen gerne zu!), obwohl das Thema sehr eng damit verbunden ist und deren Einbringung daher geschäftsordnungsmäßig durchaus noch möglich wäre. (Bundesrat Dr. Böhm: Aber ja! Machen Sie es! Da verstehe ich mehr davon als Sie!) Aber die Tatsache, dass dieser Justiz in der österreichischen Öffentlichkeit in zunehmendem Maße Misstrauen entgegengebracht wird (Bundesrat Dr. Böhm: Das Sie schüren!), dass sich Menschen, die in dieser Justiz tätig sind, über Druck beklagen, dass die Entscheidungsfindung ... (Bundesrat Dr. Böhm: Was für ein Druck? Des Herrn Justizministers?)

Na selbstverständlich! Da hat es eine Diskussion über den Standort und das Bestehen des Jugendgerichtshofes Wien gegeben. Es hat niemand – mit einer Ausnahme, und die ist in einer nicht sehr attraktiven Form im Fernsehen gezeigt worden – die Meinung des Herrn Justizministers geteilt. Alle Experten, alle Betroffenen haben sich gegen seine Auffassung ausgesprochen. Aber die Dialogform dieses Ministers besteht eben darin, am Ende einer solchen Diskussionsrunde zu sagen: "Ich habe alle überzeugt." – Wenn das nicht Druck ist, was ist dann Druck?

Er ist Leiter dieses Ressorts. Er hat damit eine politische Verantwortung und ... (Bundesrat Dr. Böhm: Er muss die Entscheidung treffen! Nicht der Herr Jesionek ist der Ressortchef!) Bitte? (Bundesrat Dr. Böhm: Nicht der Herr Jesionek ist der Ressortchef!)  – Nein, aber er ist ein verantwortungsbewusster Jurist, der ein beispielloses und wirklich beispielgebendes Modell in diesem Bereich mitgetragen und mit verwirklicht hat. (Bundesrat Dr. Böhm: Hat nicht er erfunden!) Er hat es nicht erfunden. Es wurde ja ein Jubiläum gefeiert, als es aufgelöst wurde – diese Delikatesse muss man auch noch einmal haben!

Aber es ist mit Sicherheit nicht so, dass die Justiz von heute in den Augen der Öffentlichkeit dieselbe ist wie die Justiz vor vier oder fünf Jahren, als es in diese Unabhängigkeit und diese Unbeeinflusstheit ein klares und eindeutiges Vertrauen gegeben hat, das sich die Justiz schwer erarbeitet hat. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist auch eine Frage des Respekts vor den Menschen, die in der Justiz arbeiten, ob ihnen der Minister diesen Teppich unter den Füßen wegzieht. Ich meine, er ist hier und in anderen Fällen im Begriff, das zu tun.

Ich habe es schon eingeworfen: Ich bin nicht der Meinung, dass man jedes Wort, mit dem Kritik am Herrn Bundesminister geübt wird, politisch unterschreiben soll. Ich werde daher die Rücktrittsaufforderung, die Herr Redakteur Worm in seinem Kommentar verständlicherweise zum Ausdruck gebracht hat, nicht unterschreiben und hier nicht äußern. Aber ich erwarte mir, dass der Herr Bundesminister über die Selbstgerechtigkeit hinaus, die er hier gezeigt hat (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Wer ist selbstgerecht? Sie sind selbstgerecht, Herr Professor!), auch einmal versucht, Sensibilität sich selbst gegenüber geltend zu machen, darüber nachzudenken, ob seine Handlungen und seine Verhaltensweisen für diese Republik und ihr Rechtssystem erträglich und ertragbar sind, und vielleicht auch dann zu anderen Lösungen zu kommen als jener, die er uns heute erklärt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

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