Bundesrat Stenographisches Protokoll 693. Sitzung / Seite 15

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andere mehr. Es muss uns auch bewusst sein, dass alle Aufgaben bürgernah erfüllt werden sollen.

Ich nehme das Wort „Doppelgleisigkeit“ nicht in den Mund. Man kann nicht so einfach, wie das bei jeder Veranstaltung im Wirtschaftsbereich der Fall ist, sagen: Es geht um Büro­kratievereinfachung. – Das ist zu wenig! Wir brauchen eine klare Kompetenzaufteilung, eine klare Aufgabenzuordnung, ganz einfache Konstrukte, und dann wird es auch einfacher sein. Ich bin davon überzeugt, dass zum Beispiel dieser Österreich-Konvent, auf den ich noch zurück­kommen werde, klare Zuordnungen vornehmen kann, vor allem dann, wenn wir uns aus allen Fraktionen dazu bekennen mitzugestalten, wenn sich die Bundesländer einbringen und wenn wir versuchen, unsere Erfahrung, die wir täglich aufs Neue machen, dort einzubringen und diese dann in der Folge auch umsetzen.

Ein wichtiger Punkt für mich in dieser Woche – und ich sage das jetzt als jemand, der es wahrscheinlich so empfindet wie Sie alle, die Sie auch in der Politik Verantwortung tragen – ist, dass wir nachdenken müssen, wenn in der zweitgrößten Stadt Österreichs, in Graz, 43 Prozent der Menschen nicht zur Wahl gehen. Ich würde sehr darum ersuchen, aktiv auch daran zu denken, wie wir es in Fragen der Briefwahl halten wollen, oder zumindest die Möglichkeiten zu schaffen. Das wäre nur ein Thema, das kann man aber nicht nur in einem Satz erledigen, son­dern da muss man manches aufarbeiten. Es ist vieles vorbereitet: Es sind Vorschläge für Wahlrechte in den verschiedenen Schubladen, es sind viele Ideen in den Schubladen. Wir sind aufgerufen, etwas zu verändern.

Ich sage sehr bewusst auch dazu, dass Kollege Schausberger mir mitgegeben hat – gerade auch bei den Verhandlungen um die künftige Regierung habe ich gemerkt, dass es da keinen Wider­spruch gibt; das heißt, da bitte ich Sie auch um Unterstützung –, dass die Koordinations­funktion der Landeshauptleute bei Krisen- und Katastrophenbewältigung gesichert werden soll – eine bittere Erfahrung, die wir in den letzten Jahren in verschiedenen Bundesländern machen mussten. Jeder der Landeshauptleute hat Verantwortung ohne rechtliche Deckung übernommen, weil Verantwortung heißt, sich hinzustellen und etwas zu entscheiden, solange es noch die Möglichkeit der Entscheidung gibt. Manchmal ist es leider ohnehin fast zu spät, und man kann nicht mehr helfen. Das ist dann die Erkenntnis der Hilflosigkeit von uns Menschen, die uns manchmal bewusst wird. Es sollte uns viel öfter bewusst sein, dass wir nicht alles selbst können.

Was wir für den Bürger erwarten, wenn wir von Reformbestrebungen reden, ist nicht – ich sage es noch einmal, Herr Staatssekretär, Sie werden mir das jetzt verzeihen, aber Gesundheit ist ein Superthema dafür; ich weiß, dass das nicht gewollt ist, ich sage auch, dass wir es nicht können –, dass man nur vom Bund auf das Land oder vom Land dann in die Gemeinden und in die Städte verlagert, denn es gehören die finanziellen Mittel dazu, aber bei einer klaren Kompetenzzuordnung wird dies auch möglich sein, sondern dass wir wirklich vieles gemein­sam besser machen. Es ist nicht so, dass wir einen Stillstand wollen, sondern wir sagen: ge­mein­same Ziele, klare Maßnahmen und sorgfältige Orientierung dieser Ziele – das ist eine Aufgabe, die wir haben.

In meinen Unterlagen findet sich der Begriff „Perchtoldsdorfer Paktum“. Das ist noch aus dem Jahre 1992. Inzwischen hat sich viel geändert. Das sieht man, wenn man sich zehn, elf Jahre später fragt: Was soll der Staat, was muss der Staat und was kann der Staat und was können wir eigentlich als Staatsbürgerinnen und Staatsbürger besser? Welch bessere Möglichkeiten gibt es? – Ich sage bewusst dazu, es muss auch so etwas wie eine begleitende Hilfe oder eine begleitende Kontrolle geben. Aber es ist nicht so, dass alles der Staat und die öffentliche Hand machen müssen. Es gibt auch so etwas wie Eigenverantwortung. Ich denke zum Beispiel auch an das Wahrnehmen der Möglichkeiten, wieder das eine oder andere in die Verantwortung der Familien zurückzugeben. Das könnte auch ein Weg sein.

Strukturreform heißt für mich aber auch, dass es nicht darum gehen kann, dass sich eine Gebietskörperschaft gegen die andere wendet und sagt: du nicht, ich schon, oder sonst! – Sie kennen die Diskussion selbst seit langer Zeit – wir führen sie auch zum Teil. Ich nehme


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