Bundesrat Stenographisches Protokoll 694. Sitzung / Seite 19

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„Wir sind wirtschaftlich stark und wohlhabend. ..., und wir können den Bürgerinnen und Bürgern eine hohe soziale Sicherheit anbieten. ... Unsere Arbeitslosenrate sinkt und zählt zu den niedrigsten in ganz Europa.“ – Zitatende.

Heuer haben Sie derartige Worte nicht wiederholt, und das aus gutem Grund, denn im Jahr 2000 haben Sie damit die Eröffnungsbilanz Ihrer Regierung in höchstem Maße zutreffend beschrieben – eine Bilanz, die sie von den vorhergehenden sozialdemokratischen und sozial­demokratisch geführten Bundesregierungen übernommen haben.

Heute wären diese Feststellungen so nicht mehr richtig. Unser Land ist heute wirtschaftlich noch relativ stark und noch wohlhabend, aber das Ergebnis Ihrer Politik sind nicht die Stärke und der Wohlstand, sondern das Wörtchen „noch“ in diesem Satz. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir können unseren Bürgern nicht mehr dieselbe soziale Sicherheit anbieten wie vor drei Jah­ren, und der Kern Ihrer Politik ist es, dieses Angebot weiter drastisch zu vermindern. Wir haben eine dramatisch steigende Arbeitslosigkeit, und die relative Position Österreichs in Europa auf diesem und auf vielen anderen Gebieten hat sich deutlich verschlechtert.

Ihre Eröffnungsbilanz war gut, aber das ist nicht Ihr Verdienst. Das Ergebnis Ihres zunächst ein­mal dreijährigen Wirkens führt zu einem viel schlechteren Resultat. Das, was Sie heute als Pro­gramm Ihrer Regierung vorgelegt haben – ich beziehe mich auf die Langfassung –, lässt mit gutem Grund befürchten, dass wir in vier oder, was wahrscheinlicher ist, in eineinhalb oder in zwei Jahren vor einem noch sehr viel größeren Scherbenhaufen stehen.

Herr Dr. Khol hat einmal den Weg dieser Regierung als einen „Marsch durch die Wüste Gobi“ charakterisiert. Das hat etwas für sich, und wie Recht er hatte, das wird einem erst jetzt so rich­tig klar. Sie setzen Ihren Marsch unbeirrt fort, auch wenn Sie inzwischen viele der Kamelführer gekündigt haben, auch wenn der Karawanenführer die Orientierung verloren hat (Heiterkeit bei der SPÖ) und die Österreicherinnen und Österreicher, die da ungefragt mitlaufen müssen, schon halb verdurstet sind. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

Ich weiß schon, Sie pflegen auf eine solche harte, aber wahrlich nicht ungerechte Kritik immer mit dem Satz zu antworten, der Kritiker spräche wohl von einem anderen Land, Österreich könne er ja nicht meinen. Und Sie pflegen an dieser Stelle auch freundliche Bemerkungen über den Fleiß der Bevölkerung und die Leistungskraft unserer Wirtschaft zu machen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Weil’s wahr ist! – Bundesrätin Haunschmid: Weil’s wahr ist!) Sie sagen es: Weil es wahr ist. Wir brauchen, Kollegin und Kollege, sowohl von Ihnen als auch von der Regie­rungsbank wahrlich keinen Nachhilfeunterricht in Sachen Patriotismus und Heimatliebe. Uns braucht niemand ... (Bundesrat Dr. Nittmann: Seit wann?) – Seit etwas mehr als 110 Jahren, seitdem es diese Partei gibt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Die Sozialistische Internationale, das ist Ihre Treue!)

Uns braucht niemand zu sagen, wie engagiert und aufopfernd die Menschen in diesem Land arbeiten, wie hoch qualifiziert sie sind und welche Leistungen sie erbringen. Wir leben ja mit und unter diesen Menschen. Aber wir sehen auch, wie Ihre Politik diesen Menschen die Arbeit er­schwert, wie sehr das, was sie für ihre Arbeit bekommen, von Ihrer Regierung belastet wird und wie sehr man ihre soziale Sicherheit unterminiert.

Uns braucht niemand zu sagen, wie innovativ und engagiert unsere Wirtschaft die Chancen in der Welt nützt und ihre Märkte auszuweiten versucht, aber sie muss das – und auch das sagen uns die Verantwortlichen der Wirtschaft – ohne ausreichende Unterstützung dieser Regierung tun, und sie bekommt oft genug Steine in den Weg gelegt. (Bundesrat Dr. Nittmann: Geh, geh, geh!)

Wenn dieses Land eine andere Regierung hätte, die ihre Aufgabe ebenso engagiert und auf­opfernd wie die Menschen, so innovativ wie unsere Wirtschaft erfüllen würde, wenn sie ebenso qualifiziert wäre wie die Arbeitskräfte in diesem Land, dann würde Österreich anders dastehen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


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