Bundesrat Stenographisches Protokoll 694. Sitzung / Seite 21

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Oppositionsparteien das, was dazu gewonnen wurde, zwar nicht ausreichend, aber ganz an­ständig.

Herr Bundeskanzler! Sie und Ihre Partei haben sich also dafür entschieden, eine Zusammen­arbeit, die dramatisch gescheitert ist, wieder aufzunehmen. Manche Beobachter meinen, das war von vornherein Ihre Absicht, aber Sie haben das heftig dementiert. Was ich freilich fest­stellen muss, ist, dass sich seit dem Herbst, seit dem Zusammenbruch der Regierung, die Sie bisher geführt haben, in der FPÖ nichts geändert hat. Alle innerparteilichen Probleme sind noch immer da. Alle Unzuverlässigkeiten sind noch immer da. Fast alle Protagonisten der innerpar­teilichen Konflikte sind noch da, insbesondere jener unberechenbare „Stern des Südens“. Die „Knittelfelder“ sind noch da, sie haben allerdings inzwischen wichtigere Funktionen übernom­men, als sie vor Knittelfeld hatten. Das Einzige, was nicht mehr da ist, das sind die Wähler, aber die haben eben ein klareres Urteil als viele der Funktionäre Ihrer Partei.

Wenn wir immerhin am 24. November diese Wahl gehabt haben und heute, am 13. März, im Bundesrat die Regierungserklärung vorgelegt bekommen, dann ist schon auch zu hinterfragen, was es denn war, das diese lange Periode der Inaktivität, der fehlenden Entscheidungen und der versäumten Gelegenheiten verursacht hat. Sie haben den ganzen Advent hindurch son­diert, aber zu Weihnachten ist nichts angekommen, Sie haben weiter sondiert und verhandelt, so ernst, wie es der Faschingszeit angemessen war, und erst zu Aschermittwoch haben Sie eine Regierung zu Stande gebracht (Bundesrat Dr. Nittmann: Die SPÖ hat halt nicht mehr her­gegeben!), die jetzt jene Fastenzeit exekutieren soll, die Sie den Österreicherinnen und Öster­reichern verordnet haben. (Bundesrat Dr. Nittmann: Mit so einer Faschingspartei wie der SPÖ war halt nicht mehr drin!)

Sie haben in der Öffentlichkeit diese Regierungskonstellation als die einzig mögliche bezeichnet und SPÖ und Grüne beschuldigt, sich ihrer Verantwortung entzogen zu haben. (Bundesrat Dr. Nittmann: Ja, lei, lei, Herr Professor!) Die Grünen können für sich selbst sprechen, aber Berichte, denen zufolge viele Einigungen, die zwischen grünen und schwarzen Verhandlern erzielt werden konnten, letztlich an Ihrem höchstpersönlichen Veto scheiterten, stimmen immer­hin nachdenklich.

Die SPÖ hat Ihnen eine umfassende Reformzusammenarbeit angeboten. Sie haben sich viele Stunden lang unsere Vorschläge angehört. (Bundesrat Dr. Nittmann: Die Suppe war zu dünn! Es war ein Süppchen!) Ob Sie währenddessen an Ihren Karikaturen gezeichnet haben, entzieht sich meiner Kenntnis, aber als wir die wesentlichen Kernpunkte dieser unserer Vorstellungen vorlegten, haben Sie zornerfüllt davon gesprochen, die ÖVP ließe sich keine Bedingungen stellen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Sie haben schlecht verhandelt!) Dass Sie dann in letzter Sekunde noch einmal auf die SPÖ zurückgekommen sind, hat daran nichts mehr geändert. (Bundesrat Dr. Nittmann: Mit Gusenbauer ist halt kein Staat zu machen! Er hat schlecht verhandelt!) Denn dass eine Partei, die von fast 37 Prozent der Menschen getragen wird, ohne weitere ernst zu nehmende Gespräche innerhalb von 24 Stunden ein 28-seitiges Papier der Grausamkeiten einfach abnickt, das können Sie doch nicht ernsthaft erwartet haben.

Die SPÖ ist tatsächlich schuldig geworden; Michael Häupl hat das richtig zum Ausdruck ge­bracht: Wir haben uns geweigert, den von Ihnen aufgestellten Gesslerhut zu grüßen, und wer das tut, hat ja offenbar in der österreichischen Bundesregierung wirklich keinen Platz. (Bundes­rat Dr. Nittmann: Dafür haben Sie sehr lange gebraucht! Dafür hat die SPÖ sehr lang ge­braucht!)

An dieser Stelle sei noch eine klare Feststellung gesagt: Sie und die Sprecher der ÖVP haben versucht und versuchen weiter, die Legende aufrechtzuerhalten, SPÖ-Vorsitzender Gusen­bauer habe die Koalition schon gewollt, aber die Partei – besonders originell ist es, wenn Sie da den berühmt-berüchtigten Radikalen Heinz Fischer anführen (Heiterkeit bei der SPÖ) – habe ihm dabei die Gefolgschaft versagt.

Das Gegenteil ist wahr. Alfred Gusenbauer hat im Bundesparteivorstand der SPÖ beantragt, ihm ein Mandat für diese Verhandlungen zu erteilen, und dieser Bundesparteivorstand hat ihm


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