Bundesrat Stenographisches Protokoll 694. Sitzung / Seite 23

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Stunden eliminieren und gleichzeitig natürlich die Lehrplananforderungen nicht revidieren, was dann heißt, dass die Schüler wie die Mäuse im Tretrad in weniger Zeit denselben Stoff erarbei­ten müssen, dann erspare ich mir Lehrerposten. Vollzeitmäßig sind dies wahrscheinlich 1 500, da jedoch jene, die rausfliegen, üblicherweise die nur in Teilzeit beschäftigten Lehrer sind, wird das die doppelte oder dreifache Anzahl an Menschen betreffen. – Eine Wohltat für die Schüler? – Nein! Das ist eine zynische Einsparungsmaßnahme, die mit einem netten Etikett verkauft wird. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

Dann gibt es – das finde ich auch sehr originell – die vollmundige Ankündigung, man werde im Zuge jener so genannten Pensionssicherungsreform, was immer das heißen soll, erstmals eine Mindestpension schaffen. Man muss also schon sehr ahnungslos hinsichtlich der österreichi­schen Altersversorgung sein, um dieses Wort „erstmals“ glauben zu können.

Wir haben ein System, in dem alle jene, deren Pensionsanspruch unter einer bestimmten Grenze – dem Richtsatz – liegt, eine Ergänzungszahlung bekommen, die so genannte Aus­gleichszulage. Die Richtsätze werden jedes Jahr festgelegt. Die Ausgleichszulage ist die indivi­duelle Höhe zwischen dem Anspruch und dem, was man zum Überleben für notwendig hält. Das bekommen Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher; erfreulicherweise sind es von Jahr zu Jahr ein bisschen weniger, weil die Versicherungsverläufe positiver sind. (Bun­desrätin Bachner: Das wird sich wieder steigern!) Es wird sich wieder steigern; nach dieser Reform ins Unermessliche. Daher wird sie ja offenbar abgeschafft.

Wir schaffen also jetzt – offensichtlich – im Pensionsversicherungssystem eine Mindestpension. Jene, die das verkündet haben, haben gleichzeitig den Kopf schief gehalten und gesagt: Ja, aber womit wir das finanzieren, das wissen wir leider noch nicht so ganz genau. – Das nüch­terne Ergebnis ist: Die Solidargemeinschaft der Altersversicherten übernimmt diese Last mit ihren Beiträgen, die man entsprechend hinaufschrauben muss, aber im Budget wird längerfristig diese Position ersatzlos gestrichen. – Ein nettes Etikett über einer zynischen Maßnahme.

Dasselbe gilt für die Krankenversicherungsbeiträge. Dort heißt das Etikett „Gerechtigkeit“. Die Krankenversicherungsbeiträge der Arbeiter, die wegen der höheren Gefährdung in der Berufs­ausübung seit Jahrzehnten höher waren, werden gesenkt, die Krankenversicherungsbeiträge der Angestellten, die auf Grund eines geringeren Risikos niedriger waren, werden angehoben. Aber inzwischen hat sich – und darüber redet kein Mensch auf der Regierungsbank – die Be­rufsstruktur der Versicherten völlig verschoben. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Das hat aber jeder akzeptiert!) Gut, gut, gut. – So nicht! Damit kommt ein Körberlgeld in der Höhe von 374 Millionen € pro Jahr herein, und das deckt allein das für heuer prognostizierte Defizit der Krankenversicherungsträger ab. – Das ist ein nettes Etikett, eine Mehrbelastung, und das – und damit komme ich zum dritten Eckpfeiler – von einer Partei, die vor einem halben Jahr noch gesagt hat: Das ist der Inbegriff sozialdemokratischer Ideenlosigkeit, dass Ihnen in der Kranken­versicherung nichts anderes einfällt als Beiträge zu erhöhen.

Das ist der dritte Eckpfeiler Ihres Regierungsprogramms. Von Julius Raab wird der Satz über­liefert: Lug’ hin, Lug’ her, g’nutzt hat’s. – Ich weiß schon, Herr Bundeskanzler, so grobe, aber auch ehrliche Worte kommen Ihnen nicht über die Lippen, aber der Tatbestand wird hier poli­tisch erfüllt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frau Ministerin hat sich mir leider entzogen. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.) – Ja, Lug’. Das ist nicht von mir, das ist ein Raab-Zitat. – Da hat also zum Bei­spiel die damalige Frau Generalsekretärin Rauch-Kallat mit Nachdruck erklärt, eine unglückliche oder wahltaktisch unglückliche Äußerung des Herrn Staatssekretärs Finz korrigierend, die ÖVP plane in der nächsten, also in dieser, Gesetzgebungsperiode keine weitere Anhebung des Früh­pensionsalters. Genau diese Anhebung ist aber jetzt ein Kernstück des Regierungspro­gramms – eines, das sich auch bei Verhandlungen mit uns als unüberbrückbar erwiesen hat.

Herr Minister Bartenstein, der damit irgendwie in die Mediengeschichte eingehen wird, ist mit diesem Widerspruch in einem ORF-Interview konfrontiert worden. Nachdem er minutenlang versucht hat, von etwas anderem zu reden, hat er sich nach der vierten Nachfrage in den tief-


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